In der Metropole des reichsten afrikanischen Landes

Libysches Tagebuch

Es ist halb zwölf Uhr nachts im Markt von Tripolis und es wird wie wahnsinnig eingekauft, denn morgen beginnt der Ramadan. Frauen, dichtgedrängt. Brot, Datteln, Fisch, Hühner, meistens noch lebendig, es ist Mango-Saison, tonnenweise grüne Linsen, Gewürze in den schönsten Farben.

Auch die Kinder sind noch wach und helfen mit. Trotz der fortgeschrittenen Stunde scheint es überhaupt nicht ruhiger zu werden.

Halb ein Uhr nachts, am Rande der Medina, der Altstadt. In einer fast quadratischen Baulücke wird Fußball gespielt, endlich hat es ein wenig abgekühlt. Die jungen Leute tragen Fußballdressen von allen möglichen Mannschaften der Welt, Juventus, Brasilien, Manchester.

Häuser mit Balkons

Zehn Uhr vormittags. Auf einer Baustelle in einem neuen Stadtentwicklungsgebiet an der Straße zum Flughafen. Wohnungen für unterschiedlich große Familien entstehen hier, im Erdgeschoß sollen Geschäfte einziehen, damit kein Schlaf-Ghetto daraus wird. Ich stehe im fünften Stockwerk auf einem Balkon. Balkone sind ungewöhnlich in arabischen Gesellschaften, weil man sein Privatleben nicht öffentlich macht. Werden arabische Familien die Balkone benutzen?

Die Stadt ist durch den Ramadan viel ruhiger geworden. Geschäfte und Restaurants haben geschlossen, das Leben beginnt erst nach zehn Uhr abends. Die Piazza vor der Moschee ist sonst ein lärmender Verkehrsknoten, jetzt ist alles ruhig. Gleich wird der Muezzin rufen, dann kann wieder gegessen werden. Ein geöffnetes Restaurant. Hühner werden gegrillt, es gibt Couscous, Maccheroni, Reis und Bohnen. Ich werde Couscous mit Kebab bestellen. Vor dem Café sitzen alle unter den Bäumen und schauen auf Bildschirme mit Telenovelas aus Ägypten. Wasserpfeifen, Kaffee, Tee; gemischtes Publikum, auch aus Bangladesch, dem Sudan. Ich bin die einzige Frau hier.

Gaddafi ist überall

Vormittags auf einer Radialstraße. Ich möchte eine Flasche Wasser kaufen, finde aber hier nur Schuhgeschäfte. Eine richtige Schuhmeile. Interessante, coole Schuhe, in Gold und Silber, Glitzer und Glamour - so geil! - Plastik und Plastik, Plateausohlen zwischen fünf und 19 Zentimeter.

Ich suche weiter nach Wasser und finde überall nur Gaddafi, auf Plakaten, Transparenten, Aufklebern. Die Schrift daneben kann ich nicht lesen, sie wirkt wie Dekoration, ich sehe überall nur das Gesicht, wie ein Logo. Gaddafis Gesicht ist so allgegenwärtig wie bei uns die Logos von Cola.

Abends. Durch die Medina weht Musik von Bruce Springsteen. Die Altstadt ist voll mit Juweliergeschäften. Viel Gold. Schöne Männer passen auf die Geschäfte auf. Andere sitzen in Plastikstühlen vor bunten Cafés, Kinder spielen auf der Playstation Fußball. Ich werde zum Essen eingeladen, Suppe und Pizza, eine Art Mandelpaste-Pizza. Dazu Wasser.

Text: Vittoria Capresi