Thomas Bernhards Debattenbeiträge

Der Wahrheit auf der Spur

Die Würdigung von Thomas Bernhards Werk wurde in Österreich durch eine lange Reihe von turbulenten öffentlichen Diskussionen erschwert. Nachzulesen sind jetzt Thomas Bernhards Beiträge zu eben diesen Debatten in dem Band "Der Wahrheit auf der Spur".

Mittagsjournal, 20.12.2010

"Ausstrahlen - und zwar nicht nur weltweit, sondern universell. Jedes Wort ein Treffer. Jedes Kapitel eine Weltanklage. Und alles zusammen eine totale Weltrevolution bis zur totalen Auslöschung", formulierte Thomas Bernhard selbst seinen Anspruch an sein Werk.

Das gilt für ein Oeuvre von rund 30 Prosawerken, 20 großen Theaterstücken und fünf Gedichtbänden und das gilt auch für die öffentlichen Auftritte des Thomas Bernhard. Als zornigem Redner, Leserbriefschreiber, Kommentator und Interviewpartner begegnen wir ihm in dem Band "Der Wahrheit auf der Spur". Chronologisch geordnet - von einem Vortrag zum 150. Geburtstag von Arthur Rimbaud, den der 23-jährige im Salzburger Hotel Pitter gehalten hatte bis zu einem Leserbrief, der einen Monat vor dem Tod Thomas Bernhards in der Salzkammergut-Zeitung veröffentlicht worden war.

Attacke gegen Konsensmaxima

Zorn und Verzweiflung nannte er selbst als seine "einzigen Antriebe", in Österreich habe er den idealen Ort dafür gefunden. "Wendelin Schmidt-Dengler hat einmal gesagt, Bernhard hätte immer die Punkte attackiert, wo sich ein Österreich ein Konsensmaximum gebildet hätte. Und das scheint mir nach wie vor eine gute Charakterisierung zu sein. Man denke nur zum Beispiel an Bernhards Beitrag zu Bruno Kreisky im 'profil'", so Martin Huber, der Leiter des Thomas Bernhard-Archivs und Herausgeber des Bandes.

Es war der 70. Geburtstag Bruno Kreiskys, genauer gesagt ein Buch von Gerhard Roth und Peter Turrini zum 70. Geburtstag des Bundeskanzlers, das den Furor Thomas Bernhards weckte und Anlass war, im "profil" gegen den "Halbseidensozialisten, rosaroten Beschwichtigungsonkel, Höhensonnenkönig im Pensionisten-Look und selbstgefälliger Staatsclown" vom Leder zu ziehen. Ein Jahr später, anno 1982, stellte Bernhard fest: "Ich und meine Arbeit haben so viele Feinde, wie Österreich Einwohner hat, die Kirche, die Regierung auf dem Ballhausplatz und das Parlament auf dem Ring eingeschlossen."

Selbststilisierung eines Übertreibungskünstlers

Die Selbststilisierung eines Übertreibungskünstlers. Allerdings: "Wenn das ein Kalkül gewesen wäre, hätte das sehr oft funktioniert. Man denke an 'Holzfällen': Kein Roman Thomas Bernhards bis dahin hatte sich auch annähernd so gut verkauft. Aber wenn man das im Briefwechsel Thomas Bernhards mit Siegfried Unseld nachliest, sieht man, wie sehr ihn das tatsächlich selbst getroffen hat, dass sein Roman von der Polizei aus den Buchhandlungen entfernt wird.", so Huber.

Im Zusammenhang mit der Beschlagnahmung von Holzfällen habe er in zwei Wochen 14 Vorladungen bekommen, beklagt sich Thomas Bernhard in einem Interview und er fügt hinzu: Ich bin kein Skandalautor".

Skandale und Skandälchen

Martin Huber widerspricht: "'Ich bin kein Skandalautor' ist natürlich einerseits vollkommen falsch, wenn man sich die Wirkung Thomas Bernhards ansieht und die Reihe von Skandalen und Skandälchen bis zum Riesenskandal, der ja Österreich mehrere Monate beschäftigt hat, den Skandal um die letzte Uraufführung eines Thomas-Bernhard-Stücks am Burgtheater, 'Heldenplatz' im November 1988. Wenn, dann stimmt das insofern, als ich tatsächlich glaube, dass Bernhard in dieser Dimension nicht voraussehen konnte, wie sich der Skandal ergeben hat."

Aber Thomas Bernhard hatte zu diesem Zeitpunkt längst erkannt: "Im Grunde braucht man überhaupt nirgends hinhauen, weil sie alle von selber wieder verschwinden, wenn man ein bisschen warten kann. Wenn man zehn Jahre wartet, verschwinden die alle wieder von selber."

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Thomas Bernhard, "Der Wahrheit auf der Spur" Suhrkamp Verlag