Evolution eines Nationalgerichts

Fish 'n' Chips

Kein Gericht ist britischer als Fish and Chips: An jeder Straßenecke verkauft, mit den Fingern gegessen trägt es zum Wir Gefühl der Engländer bei. Das Fischgericht hat eine turbulente Geschichte und eine ungewisse Zukunft.

Hochbetrieb am Take Away

Am Freitag Vormittag stehen die Kunden Schlange: In der Take Away Abteilung des North Sea Fish Restaurant im Londoner Stadtteil Bloomsbury holen die Köche einen Fisch nach dem anderen aus dem heißen Öl. Chris Barnes nimmt seine Portion Chips in Empfang - so nennt man die englische Version der Pommes Frites - und ein goldbraun gebackenes, knuspriges Kabeljaufilet. Früher verpackte man das Gericht in Zeitungspapier - erinnert sich der Taxifahrer, das ist aus hygienischen Gründen verboten.

Frisch von der "Börse der Meeresfrüchte"

Ben Beauchamp ist der Manager des North Sea Fish Restaurant. Er holt mehrmals pro Woche frischen Fisch vom größten Fischmarkt Englands - vom "Billingsgate Market" in London. Frische ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal für den gebackenen Fisch: Wie viele seiner Kunden erkennt der Fachmann beim Essen, ob der Fisch gestern, vorgestern, oder am Tag davor aus dem Ozean geholt wurde. Im Restaurant bietet man mehrere Zubereitungsarten für die Meeresfrüchte an.

Die Urspünge von Fish and Chips

Zu den Kunden des North Sea Fish Restaurant zählen auch jüdische Bewohner Londons - sie lassen sich Kabeljau oder Schellfisch häufig auf "Matzo Meal" Art servieren - in einer Art ungesäuertem Brotteig gebacken. Diese Rezepturen brachten jüdische Flüchtlinge aus Portugal und Spanien nach England. Die erste schriftliche Erwähnung eines "fried fish warehouse" findet man in Charles Dickens Roman "Oliver Twist" um 1838. Damals verdienten sich Tagelöhner ein Zubrot mit frittiertem Fisch, den sie in Londons Hinterhöfen in altem Öl zubereiteten und auf der Straße verkauften. 1860 gilt als das Geburtsjahr von Fish and Chips: Fisch und die gebratenen Kartoffeln wurden als gemeinsames Gericht verkauft.

Nahrung der Arbeiterklasse

Fisch und Kartoffeln waren billig, nahrhaft und allgegenwärtig: Die ideale Ernährung der hungrigen Arbeiterklasse. Die Zahl der Frittierbuden nahm rasant zu, die hygienischen Bedingungen verbesserten sich. Fish & Chips trugen zur sozialen Stabilität Englands bei - der Hunger des 19. Jahrhunderts war besiegt. Nach dem 2. Weltkrieg versorgten 35.000 Familienbetriebe die Fisch hungrigen Briten mit ihrem Nationalgericht.

Dunkle Wolken am Fischhimmel

Die Überfischung der Meere sorgte für erste Probleme in den 1980ern. Dann verdrängten Kebab, Hamburger & Co viele Fischbuden. Heute ist der Kabeljau - Englands beliebtester Speisefisch - vom Aussterben bedroht. In zwei Jahren wird man ihn nicht mehr auf der Speisekarte finden, vermutet Ben Beauchamp - der Manager des North Sea Fish Restaurants. Neben Scholle, Schellfisch und einer Rochenart, die sich zum Frittieren eignet - wird man in Zukunft andere Weißfischarten für Fish and Chips anbieten müssen. In Londons Pubs - wo mittlerweile Fish and Chips zum Standardangebot gehören - greift man zu tiefgekühltem Pangasius - einem Zuchtfisch aus Vietnam - und zu industriell produzierten Chips.

Very british, indeed!

In alteingesessenen Fish and Chips Tempeln schneidet man die Kartoffel händisch - man schwört auf die Sorte "Maris Piper" - und frittiert sie in Erdnussöl: "Außen knusprig wie eine neue 50 Pfundnote und innen flaumig wie eine Sommerwolke" müssen sie sein, sagt eine Redensart. Die Backteighülle für den Fisch ist knusprig und dünn, damit der Fisch in seiner weißen Pracht zum Vorschein kommt, sagt William Mc Gibban vom Fischrestaurant "Faulkner's". Der Chefkoch dreht am Temperaturregler der Ölwanne, wendet die Filets dann und wann, lässt sie langsam goldbraun brutzeln. Der Fisch soll sich in dicke weiße Flocken lösen. Die Chips übrigens werden ordentlich gesalzen und mit Malzessig beträufelt. Next, please!

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