Billigkonkurrenz aus Fernost

Montmartres Porträtmaler

Auch mehr als einhundert Jahre nach Van Gogh, Renoir oder Modigliani umgibt den Pariser Stadtteil Montmarte noch immer der Mythos eines einzigartigen Künstler-Viertels. Und gleich neben der Basilika Sacré Coeur am Place du Tertre verkaufen die Straßenmaler noch immer ihre Gemälde und Porträts.

Bloß, die Zeiten ändern sich: Die alt-eingesessenen Künstler bekommen zunehmend Konkurrenz von illegalen Malern und chinesischen Fälschern - die den Touristen ihre Bilder zu Billigst-Preisen anbieten.

Kulturjournal, 23.12.2010

Auch an kalten Wintertagen spielen die Straßenmusikanten in Montmartre auf, und am Place du Tertre, direkt neben der Basilika Sacré Coeur, stellen die Künstler ihre Staffeleien auf und packen die Malkästen aus. Fest eingehüllt in warme Jacken, warten sie auf Kundschaft. Denn auch rund um Weihnachten kommen unzählige Touristen nach Paris und lassen sich den Flair in Montmartre nicht entgehen.

Doch der ist längst nicht mehr wie früher, klagen viele Künstler, der Mythos von Toulouse-Lautrec, Renoir oder van Gogh verblasse, sagen sie. Denn es gehe plötzlich nicht mehr um die Kunst, sondern nur mehr um das Geschäft mit den Touristen. In den Souvenirläden werden immer mehr Fälschungen aus China angeboten und das zu Billigstpreisen. Ein Dilemma für die Straßenkünstler, sagt Camille - er malt seit 33 Jahren am Place du Tertre:

"Es hat sich viel geändert. Vor allem die Maler hier leiden unter den chinesischen Imitationen, sie fälschen einfach alles und verkaufen es dann in den Galerien. Das ist schlechte Qualität, aber die Touristen sehen das nicht und kaufen es dort - und wir hier verkaufen nicht mehr so viel wie früher."

Nur wenige Genehmigungen

Die Billig-Konkurrenz zwinge außerdem auch die Straßenkünstler, mit ihren Preisen nach unten zu gehen. Zwischen 40 und 60 Euro könne man noch für ein Porträt verlangen, erzählt Camille, doch zum Leben reiche das in manchen Monaten nicht, sagt auch Dhuy - seit beinahe vierzig Jahren stellt er fast täglich seine Staffelei hier auf: "Früher war es für uns leicht, unseren Lebensunterhalt hier zu verdienen, aber jetzt wird es immer schwieriger."

Camille und Dhuy gehören zu den alt-eingesessenen Künstlern hier und sind seit Jahren beim staatlichen französischen Kunstverband eingeschrieben. Für rund 400 Euro im Jahr können sie legal am Place du Tertre malen und verkaufen. Doch diese Genehmigungen sind rar - rund 150 Maler besitzen eine Konzession, um hier legal zu arbeiten. Viele wechseln sich sogar in Schichten auf ihrem rund einen Quadratmeter großen Arbeitsplatz ab.

Montmartres Image leidet

Doch weder die Maler noch die Stadt Paris können verhindern, dass auch immer mehr illegal arbeitende Künstler nach Montmarte strömen. Sie fangen Touristen bereits vor der Basilika Sacré Coeur ab und bieten Porträts schon für 10 Euro an. Mit Kunst habe das nichts mehr zu tun, klagt Dhuy: "Natürlich leidet das Image von Montmarte unter ihnen, viele können einfach nicht ordentlich zeichnen - das schädigt unseren Ruf."

Rund einen Meter neben Dhuys Staffelei hat Ashraf seit 20 Jahren seinen Arbeitsplatz. Ohne von seiner Arbeit aufzusehen widerspricht er seinem Kollegen Dhuy. Jeder Künstler könne hier in den engen Gässchen rund um die Basilika Sacré Coeur sein Glück versuchen, meint er:

"Also gut, dann gibt es eben welche, die illegal arbeiten, aber diese Menschen müssen auch irgendwie überleben und man kann sie nicht daran hindern. Und selbst wenn da jemand mehr Kundschaft hätte, stört mich das nicht, jeder hat eben seinen Geschmack."

Hilfe vom Kulturminister erhofft

Viele seiner Kollegen sehen das anders. Sie haben sich jetzt in einem Verein organisiert und hoffen auf Hilfe des Kulturministers, erzählt Camille: "Wir haben beim Rathaus angefragt und man hat uns ein Gespräch mit dem Kulturminister vermittelt. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Wir warten."

Und bis dahin will man sich zumindest von der Billigkonkurrenz nicht unterkriegen lassen. Und so werden in Montmarte auch weiterhin die Staffeleien aufgestellt und die Instrumente ausgepackt.

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