EU-Grundrechteagentur zu minderjährigen Flüchtlingen

Kein gutes Zeugnis für Österreich

Kein gutes Zeugnis stellt die EU-Grundrechteagentur österreichischen Fremdenpolizisten aus: Minderjährige Flüchtlinge sollen bei der Erstbefragung angeschrien und erniedrigt worden sein. Viele Kinder sind vor Bürgerkriegen oder auch vor Familienangehörigen geflohen, die sie misshandelt haben.

Mittagsjournal, 29.12.2010

EU: Verhöre statt Befragungen

Österreich schneidet in manchen Bereichen zwar ganz gut ab, keineswegs aber was die Befragungen in den Asylwerber-Erstaufnahmezentren durch Beamte des Innenminsteriums betrifft. Vor allem die Jugendlichen in Österreich und Belgien sagen laut dem Bericht der EU-Grundrechteagentur, dass die Befragungen eher lange und detaillierte Verhöre gewesen seien, in denen die gleichen Fragen immer wieder gestellt wurden. Zitat eines 17-Jährigen: "Unsere Probleme sind ihnen egal. Sie warten nur darauf, dass wir beim Interview einen Fehler machen." Und eine junge Asylwerberin berichtet: "Ein Polizist hat mich angeschrien: "Wieso sprichst du nicht mit uns?" Sie wollten, dass ich erzähle, wie mein Vater ermordet wurde," so die 15-jährige unter Tränen.

336 minderjährige Flüchtlinge wurden befragt

Die EU-Grundrechteagentur hat in zwölf europäischen Staaten insgesamt 336 minderjährige Flüchtlinge befragt. Die meisten stammen aus Ländern wie Afghanistan, Somalia, Marokko und dem Irak. Viele sind vor bewaffneten Konflikten geflohen, vor Misshandlungen, Armut oder auch Kinderhandel, heißt es im Vorwort des Berichts der Grundrechteagentur.

Eignung der Beamten wird bezweifelt

Die Eignung und das Training jener Beamten, die diese Flüchtlingskinder dann befragen, wird in Frage gestellt - speziell in Österreich, Belgien, Italien und Großbritannien. Ein 15-jähriges nach Österreich geflohenes Mädchen über ihre offenbar erniedrigende Befragung: "Der Polizist hat gesagt: Mein Kind ist 15 und versteht alles. Du bist 15 und verstehst überhaupt nichts. Wie gibt´s das?" Und ein österreichischer Sozialarbeiter wird mit den Worten zitiert: "Es ist eine bürokratische Prozedur. Das ist als ob man angeklagt wäre."

Problem Missbrauchsfälle

Auch österreichische Rechtsberater werden in dem Bericht der EU-Grundrechteagentur zitiert. Demnach sind Beamte zwar verpflichtet, jeden Missbrauchsfall zur Anzeige zu bringen, de facto sei es aber fast unmöglich, Ermittlungen zu initiieren. In einem Fall habe ein Kind von Missbrauch berichtet, ihm sei aber sofort Diffamierung vorgeworfen worden.

Nur ärztliche Versorgung gelobt

Eher gelobt wird hingegen die Möglichkeit der freien Religionsausübung in Österreich sowie die psychotherapeutische und ärztliche Versorgung der jungen Flüchtlinge. Allerdings fehle es oft an Übersetzern, was die medizinische Versorgung erschwere. Kritisiert wird auch die Qualität der Deutschkurse und fehlende Freizeitangebote im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Lob gibt es von den befragten Jugendlichen für ihre spätere Unterbringung und die schulische Ausbildung. So sagt ein 16-Jähriger: "Die Schule macht Spaß, wenn es mir gut geht. Nur manchmal denke ich an mein Asylverfahren, dann kann ich mich nicht mehr konzentrieren und es geht mir schlecht."

Jugendliche mit Rassismus konfrontiert

Wenn das Asylverfahren positiv abgeschlossen ist, fühlen sich zahlreiche Jugendliche in Österreich gut und freundlich aufgenommen. Rassistischen Äußerungen und Vorfällen sehen sich aber fast alle der in zwölf EU-Ländern Befragten ausgesetzt. Zitat eines 17-Jährigen in Österreich: "Dreimal bin ich zur Disco gegangen, um alles zu vergessen und nur zu tanzen. Aber sie haben nur mich nicht hineingelassen. Ich bin mir vorgekommen als wäre ich gar kein Mensch."

Katastrophale Bedingungen in Griechenland

Übrigens: Einige der Befragten sind über Griechenland nach Österreich gekommen. Ihre Berichte bestätigen bisherige Erfahrungen: Dort seien 70 Personen in einer Massenzelle inhaftiert gewesen, es habe nur Brot und Wasser gegeben, andere mussten in Parks schlafen und seien von der griechischen Polizei geschlagen worden. SOS-Mitmensch fordert nun einmal mehr, den Stopp von Abschiebungen nach Griechenland.