Oppositionelle als Faustpfand?
Weißrussland: Was macht Moskau?
Die Europäische Union droht Weißrussland mit Sanktionen. Grund ist die Verhaftung von Oppositionspolitikern nach dem Wahlgang am 19. Dezember. In Minsk wurden mittlerweile 150 von mehr als 600 verhafteten Regierungsgegnern freigelassen. Mit Spannung wird beobachtet, wie sich Russland verhält.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 04.01.2011
Pressekonferenz abgesagt
Der fünfunddreißigjährige Vitali Rymaschewski war einer der Gegenkandidaten von Alexander Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen am 19. Dezember. Rymaschewski wurde am Wahlabend krankenhausreif geprügelt und anschließend in das Geheimdienst-Gefängnis in Minsk gebracht. Am Montag wurde er freigelassen. Am Dienstag wollte er in einer Pressekonferenz die Vorfälle schildern. Aber diese Pressekonferenz wird wohl nicht stattfinden, da ihm in diesem Fall erneut mit der Verhaftung gedroht wurde.
Kalkül Lukaschenkos ging nicht auf
Wie erklärt sich in Moskau der Weißrussland-Experte und Politologe Kyrill Koktysch den Kurs von Präsident Lukaschenko, der zunächst einen Wahlkampf zuließ, um am Wahlabend dann so brutal gegen die Opposition vorzugehen? Kokytsch: "Indem sich Lukaschenko zwei Monate vor dem Wahlgang zu einer totalen Liberalisierung entschlossen hatte, wollte er einen realen politischen Protest provozieren, einen Aufstand und damit einen Vorwand, gegen die Opposition vorzugehen. Die Opposition hat aber diesen Erwartungen nicht entsprochen und damit eigentlich seine Pläne zunichte gemacht." Nachsatz: Die Folge war, dass die Polizeispitzel die Arbeit letztlich selber machten und vorneweg waren, als am Wahlabend ein Amtsgebäude gestürmt werden sollte.
Gemeinsame Position Russland - EU?
Die politischen Folgen des Gewaltausbruchs lassen sich aus Moskauer Perspektive nicht eindeutig absehen: "Die weiteren Beziehungen zu Minsk sind in höchstem Maße unklar. Präsident Medwedew zögert noch in der Beurteilung. Vielleicht ist sogar eine gemeinsame Position mit der EU möglich. Das heißt nicht, dass es so kommen muss, aber es ist nicht ausgeschlossen. Warten wir ab, wie das Europaparlament reagiert und die EU-Außenminister am 31. Jänner." Wie es aussieht, werden die EU-Außenminister bis dahin überlegen müssen, ob und wie sie die derzeit ausgesetzten Sanktionen wieder in Kraft setzen, ein Einreiseverbot für Präsident Lukaschenko eingeschlossen.
Verhandlungen im Hintergrund
Die festgenommenen Regierungsgegner sind nach Meinung des Moskauer Experten Kyrill Koktysch vor allem Tauschmaterial. Die Regierung, sagt der Experte, hält die Leute fest, um sie gegen etwas einzutauschen. Und da gibt es ja genug zu tun. Von der Zahl der politischen Häftlinge wird es abhängen, wie die Beurteilung des EU-Parlaments und der EU-Außenminister ausfällt. Und auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) verhandelt bereits im Hintergrund. Nach einer deutlichen Kritik am Wahlgang hat die weißrussische Regierung auch das OSZE-Büro in Minsk schließen lassen. Die OSZE, derzeit unter litauischem Vorsitz, will diesen Konflikt rasch beenden und damit der Organisation die Chance zur Weiterarbeit geben. Die OSZE hat sich seit 1998 intensiv um die Erfassung von Menschenrechtsverletzungen gekümmert und unabhängige Journalisten und Nicht-Regierungsorganisationen unterstützt.