Förderung sozial schwacher Kinder fehlt

Experte kritisiert ÖVP-Bildungskonzept

Das am Freitag von der ÖVP präsentierte Bildungspapier lässt etliche Fragen offen - beispielsweise, wie sich die ÖVP die "mittleren Reife" vorstellt. Auffallend ist am ÖVP-Papier, dass darin abgesehen von dieser Nahstelle noch weitere Hürden vorgesehen sind. Für Bildungsforscher Stefan Hopmann fehlt jegliche Unterstützung für sozial schwache Kinder.

Mittagsjournal, 10.01.2011

ÖVP-Papier: Neue Hürden für Kinder

Bildungsempfehlung nach der Volksschule, ein „Leistungs- und Begabungscheck" am Ende der 6. Schulstufe, die mittlere Reife nach der 8. Schulstufe: Im Bildungspapier der ÖVP werden einige Nahtstellen betont - Schaffen diese eine stärkere soziale Trennung? "Nahtstellen lösen das Problem sozialer Ungleichheit nicht.", sagt der Bildungsforscher Stefan Hopmann vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien.

Lehrerempfehlung und "Talente-Check"

Die Bildungsempfehlung nach der Volksschule hält er für unproblematisch. Ebenso den im Laufe der Unterstufe vorgesehen „Talente-Check", wenn gleich man so etwas nicht überbewerten sollte.

Prüfungserfolg korreliert mit Bildung der Eltern

Die mittlere Reife hält der Wissenschaftler für sinnvoll und längst überfällig, wenn gleich sie nicht zentralisiert ablaufen sollte. Das eigne sich nicht zur individuellen Leistungsbeurteilung. Grundsätzlich meint Stefan Hopmann: "Jede Schnittstellen, beziehungsweise zusätzliche Leistungsanforderung führt zu einer weiteren oder gleichbleibenden sozialen Unterschieden." Der Erfolg bei solchen Leistungsfeststellungen hänge nicht unbedingt nur mit finanziellen Ressourcen der Eltern zusammen, sondern auch mit deren Bildungsressourcen. " Jede Steigerung der Leistungsanforderungen wird von Eltern die finanzielles und kulturelles Kapital haben, mit einer deutlichen Erhöhung ihrer Anstrengungen verbunden. Das wiederum dazu führen, dass Kinder ohne diesen Hintergrund wieder zurückfallen."

Durchgehende Lernbegleitung fehlt

Was im ÖVP-Papier fehle sowie in der Bildungsdebatte generell, sei die Förderung der sozial Schwachen: "Was vorgeschlagen wird, sind immer nur punktuelle Förderungen. Das Problem ist, dass diese Kinder eine kontinuierliche Lernbegleitung während der gesamten Pflichtschulzeit. Wir brauchen einen konzentrierten Einsatz gegen Bildungsarmut. Das bedeutet mehr Ressourcen und Geld für schwächste Gruppe brauchen."

Es fehle an Personen, die mit den Kindern mitlernen, die einen gewissen Weitblick haben, welche Lerninhalte später notwendig sein werden: Das können die Eltern sein, bezahlte Nachhilfepersonen, die Lehrkräfte.

Pädagischer Unterstützungsapparat fehlt

Das ließe sich auch finanzieren, meint Hopmann, denn bereits jetzt werde für das Bildungssystem viel Geld ausgegeben, das umgeschichtet werden könnte: "Wir beschäftigen fast nur Lehrer, und die machen oft Dinge für die man nicht 13 Semester studieren bräuchte. Zugleich gibt es kaum pädagogische Assistenz. Es fehlt der gesamte Unterstützungsapparat. Aber das ließe sich mit Umschichtungen im Bildungssystem durchaus machen. In Österreich wird viel zu wenig Geld in die Grundausbildung: Kindergarten und Volksschule gesteckt."

Sozial Schwache: Keine Ideen

Zusammenfassend meint der Bildungswissenschafter zum ÖVP-Papier: Es sei nicht der große Wurf, habe einige gute Punkte und eine Schnittmenge mit anderen Parlamentsparteien. Es fehle jedoch das Entscheidende, nämlich wie sozial schwache Kinder gefördert werden können. Doch das, so Hopmann, finde sich auch nicht in den Überlegungen anderer Parteien.