Neues Theaterstück und Buch von Elfriede Jelinek

Winterreise

Ein neues Buch von Elfriede Jelinek kommt in den Buchhandel. "Winterreise", rund 120 Seiten Prosa, ausgewiesen als "Theaterstück", ist eine der berühmten Textflächen von Jelinek, also ohne Regieanweisungen, ohne Rollen.

"Winterreise" ist ein Auftragswerk für die Münchner Kammerspiele und dort wird es Anfang Februar auch uraufgeführt. Regie führt der neue Intendant des Hauses, der Niederländer Johan Simons.

Kultur aktuell, 13.01.2011

Ein Ich durchwandert seine Vergangenheit und die österreichische Gegenwart. "Fremd in der Welt und fremd dem eigenen Leben gegenüber", wie es heißt, folgt dieses Ich den Spuren des Wanderers aus Franz Schuberts "Winterreise". Johan Simons probt derzeit Jelineks "Winterreise" für die Münchner Uraufführung.

In acht Kapiteln erzählt Elfriede Jelinek von ihrem kranken Vater, der in der Psychiatrie endete und von der unauflösbar komplizierten Beziehung zur Mutter. Sie denkt nach über den Augenblick und das Scheitern, über Trauer und Vergänglichkeit, Alter und Abschied, über das Verstecken und das Aufdecken. Sie erzählt vom Leben in den Kellern des Landes, vom Fall Kampusch und - wie auch bereits in "Die Kontrakte des Kaufmanns" - vom Bankenskandal.

"Aufgehübschte" Bilanzen

Von einer Hyper-Braut ist da die Rede, "einer hochnervösen Braut, die ihre Geheimnisse hat und dafür die Alpen sehen darf und das Meer". (Elfriede Jelinek assoziiert dazu die letzte Zeile aus dem "Winterreise"-Lied "Die Wetterfahne": "Ihr Kind ist eine reiche Braut." Damit spiele sie aufs Schmücken der Braut an, erklärte Elfriede Jelinek in einem E-Mail-Interview und fügte hinzu: "So nennt man es, wenn die Bilanz einer Firma, einer Bank aufgehübscht wird, damit sie reicher erscheint, als sie ist, und der Kaufanreiz steigt."

"Die Braut wird von den anderen Leuten fast ausgelacht, die endlich mal auf die Bühne kommen können und endlich mal sagen, wie man sich fühlt bei dieser Krise", sagt Johan Simons. Und dies mit einer "euphorischen Wut", wie er es nennt.

Böse Ironie

Mit sieben Schauspielern und Schauspielerinnen wird Johan Simons Jelineks "Winterreise" in Szene setzen. "Man steckt einen Finger in die Luft und guckt, wo der Wind herkommt", so Simons.

Dazwischen blitzt auch böser Witz auf, wenn Jelinek etwa über die Liebe im Internet-Zeitalter schreibt oder über die Sportnation Österreich, und zum Land der Wintersportler etwa meint, "Snowboarderliner zu sein, das wär was."

Zu guter Letzt identifiziert sie sich selbstironisch mit Schuberts Leiermann: "So, da steh ich also mit meiner alten Leier, immer der gleichen. Wer will dergleichen hören? Niemand. Immer dieselbe Leier, aber das Lied ist doch nicht immer dasselbe! Ich schwöre, es ist immer ein anderes, auch wenn es sich nicht so anhört."

Die Uraufführung ist am 3. Februar 2011 in den Münchner Kammerspielen.

Textfassung: Red.

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Elfriede Jelinek, "Winterreise. Ein Theaterstück", Rowohlt Verlag

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