Ben Ali 23 Jahre an der Macht

Tunesien: Volk vertreibt Despoten

Die Proteste gegen die Regierung Ben Alis waren erfolgreich: Der Staatspräsident hat sich nach Saudi-Arabien abgesetzt. Ali hinterlässt ein Land im Chaos - ein Land, das er 23 Jahre mit eiserner Faust geführt hat, unter dem wohlwollenden Blick des Westens.

Mittagsjournal, 15.01.2011

Porträt des Präsidenten Ben Ali

23 Jahre brutal an der Macht

Zine el-Abidine Ben Ali ist der erste Despot in der jüngeren Geschichte der arabischen Welt, der dem gewaltigen Druck der Straße weichen musste. Sihem Bensedirne, Regimekritikerin und Menschenrechtaktivistin im Exil, hat seine Schläger und seine Gefängnisse am eigenen Leib erlebt: "Er war ein korrupter Diktator, der die Tunesier 23 Jahre lang erniedrigt und gefoltert hat, um sein Regime aufrechtzuerhalten, die Reichtümer des Landes auszubeuten. Nicht ich zeichne dieses Bild, es ist das Bild der Tunesier in den Straßen."

50 Personen besitzen 80 Prozent

Seine Familie, so Sihem Bensedrine, genauso korrupt, werde vom Volk Diebesbade genannt. Etwa 50 Personen haben 80 Prozent der tunesischen Güter an sich gerafft. Verhasst war vor allem auch Ben Alis Frau, Leila. Sie galt als rücksichtslos und habgierig, man erinnert sich an Ceausescus Rumänien.

Zugeständnisse, um Macht zu retten

Als die Wucht wochenlange Revolte an Stärke zunimmt versucht es Ben Ali mit kleinen Zugeständnissen. Vor vier Tagen und vorgestern noch einmal tritt der 74-jährige im Fernsahen auf, verspricht Arbeitsplätze, mehr Pressefreiheit, entlässt seinen Innenminister und am Ende die ganze Regierung. Aber niemand glaubt ihm. Ein Diktator wird immer ein Diktator bleiben, ruft aufgebracht ein Demonstrant.

Stabil, aber totalitär

Wie straffe Führung funktioniert hat Ben Ali im Westen gelernt, an Militärakademien in Frankreich und in den USA. Nach einer Karriere im Militärgeheimdienst wird er 1987 Innen- und dann Premierminister. Im selben Jahr setzt er den greisen Staatspräsidenten auf Lebenszeit, Habib Bourguiba ab, und übernimmt die Macht, auch unter dem Beifall des Auslands. In seiner Antrittsrede versprach Ben Ali Demokatie, Pluralismus und soziale Gerechtigkeit. Er macht Tunesien zu einem Vorzeigeland im Maghreb, stabil, mit einer herzeigbaren Wirtschaftbilanz und einem guten Investitionsklima.

Ein Liebling des Westens

Doch der Preis dafür ist die Freiheit. Wie hinter den Fassaden eines potemkinschen Dorfes, schafft Ben Ali einen totalitären Staat, verfolgt Presse und Opposition und lässt sich vom Westen hätscheln, der sich in Tunesien ein Bollwerk gegen die Gefahr des Islamismus zu halten glaubt.

Mittagsjournal, 15.01.2011

Interview mit der Tunesienexpertin Claudia Altmann