Vorreiter in Europa

Pflicht zur Einkommenstransparenz

Der Nationalrat beschließt eine Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes. Wichtigster Punkt: Große Betriebe müssen einen Bericht über die durchschnittlichen Einkommen von Männern und Frauen vorlegen. Aber nur intern, also dem Betriebsrat bzw. der Belegschaft. Das soll helfen, die Gehaltsunterschiede zu verringern.

Mittagsjournal, 20.01.2011

Wenige Fälle juristisch entschieden

Frauen mit Vollzeitstellen verdienen, je nach Statistik 18 oder 15 Prozent weniger als Männer. Mit einem recht komplizierten Verfahren konnte Frau oder Mann schon bisher versuchen, Einkommensgerechtigkeit einzuklagen - bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft, bei der Gleichbehandlungskommission, und unter Umständen beim Arbeitsgericht. Doch diese Diskriminierung ist so schwer zu beweisen, dass es in den letzten Jahren nur eine Handvoll Fälle waren, die tatsächlich juristisch diskutiert oder entschieden wurden. Etwa weil eine Außendienstzulage nur an Vielreisende ausbezahlt wurde - und das waren die Männer in dieser Firma. Oder weil in einer Firma nur Männern jene Kenntnisse, Leistungen und Erfahrung zugebilligt wurden, die zu Zusatzzahlungen führten.

Verhandlungsinstrument

Die nunmehr anzufertigenden Betriebsstatistiken sollen den juristischen Instanzen ein Entscheidungsmittel mehr in die Hand geben. Und die Betriebsräte sollen damit die Möglichkeit erhalten, ganz unjuristisch Verhandlungsdruck zu erzeugen. Betriebsleitungen großer Betriebe müssen in Zukunft jährlich diesen Einkommensbericht über die Verteilung der Einkommen auf Mann und Frau im Unternehmen erstellen, und zwar anhand eines zweiseitigen Fragebogens, der weitere zwei Seiten Erläuterungen hat. Das sei kein großartiger Verwaltungsaufwand, versichert Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). "Es ist eine sehr grobe Übersicht", bei der es nicht um Einzelgehälter und Abstufungen gehe, sondern "bewusstseinsbildend" um einen Überblick.

Geheimhaltungspflicht

Und dann war da noch die Diskussion, wie viel ein Betriebsrat oder eine Betroffene davon außerhalb des Unternehmens verraten darf. Antwort: Nichts. Und wenn sie/er es tut, könnte es eine Verwaltungsstrafe geben. Die Wirtschaftskammer hatte darauf gedrängt, mit dem Argument, dass die jeweilige Konkurrenz ja nicht unbedingt die Gehaltsstrukturen kennen muss. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) verteidigt diese Maßnahme auf Wunsch des Koalitionspartners. Erstens: Geheimhaltungspflichten, gebe es auch bisher schon im Arbeitsrecht - verfassungsrechtlich unangefochten. Und zweitens werde das alles ohnehin nur Theorie bleiben. Aus den vergangenen Jahren seien keine Verfahren wegen Verletzung ähnlich gelagerter Verschwiegenheitspflichten bekannt.

Vorreiter und Vorbild

Sozialminister Hundstorfer ist zufrieden mit der Verpflichtung zum innerbetrieblichen Einkommensbericht, dem auch die österreichische Arbeitgebervertretung zugestimmt hat: Damit sei man zum Vorreiter geworden, und die deutschen Sozialpartner würden bereits anfragen.

Weiterer Ausbau

Die neuen Einkommensberichte müssen in Betrieben mit über 1.000 Beschäftigten heuer erstmals fürs Vorjahr erstellt werden. Der Endausbau ist 2014 erreicht, dann sind auch Betriebe über 150 Beschäftigte dran, sodass nach heutiger Zählung 41 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst sein werden.

Kinderrechte kommen in Verfassung

Durch die Zustimmung von FPÖ und BZÖ kommt heute im Plenum des Nationalrates nach mehr als einjährigen Verhandlungen die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande. Vorgesehen sind etwa ein Rechtsanspruch auf gewaltfreie Erziehung, altersgerechte Mitspracherechte sowie ein Verbot von Kinderarbeit. Die Grünen stimmen als einzige Partei dagegen, ihnen geht der Entwurf nicht weit genug. Am Vormittag ging es um ein anderes Thema: Auf Antrag der Freiheitlichen wurde über den Euro-Schutzschirm debattiert, sie fordern eine Volksabstimmung zum Thema.

Mittagsjournal, 20.01.2011