Krimi von Don Winslow

Tage der Toten

Knapp 700 Seiten, Dutzende Tote, Milliardenumsätze und ein undurchdringliches Geflecht von Gewalt, Korruption und politischen Interessen - das sind die "basic facts", also die grundlegenden Tatsachen von Don Winslows vielgelobtem Kriminalroman "Tage der Toten".

Aufmerksamen Lesern dieser Site ist der Name des Autors nicht unbekannt: Winslow, US-Amerikaner des Jahrgangs 1953, hat in den letzten Jahren eine, auch ins Deutsche übersetzte, Krimi-Reihe über den kalifornischen Privatdetektiv und begeisterten Surfer Boone Daniels begonnen - mit bisher erschienenen Titeln wie "Pacific Paradise" und "Pacific Private".

Drogenkrieg in Mexiko

"Tage der Toten" - im Original vor fünf Jahren veröffentlicht und als Winslows Hauptwerk gefeiert - spielt einige Kilometer weiter südlich: in Mexiko. Es geht um den Drogenhandel in die USA, um die Drogenkartelle in Mexiko, um den in internationalen Schlagzeilen so bezeichneten "Drogenkrieg". Allein im Jahr 2009 hat dieser 12.000 Mordopfer in Mexiko gefordert - 2010 sollen es noch 3.000 mehr geworden sein - und offenbar ist dieser Krieg vom mexikanischen Staat nicht zu gewinnen und auch nicht zu beenden.

Sechs Jahre lang soll Don Winslow für seinen Roman recherchiert haben, und - von wenigen Abstrichen abgesehen - ist das Ergebnis ein schockierend-beeindruckendes Sitten- und Schlachtengemälde moderner Zeiten, geschrieben in der Form eines rasanten Thrillers. Großes, blutiges Kino und mit Sicherheit kein schickes "Miami Vice"- Hauptabendprogramm.

Einsamer Rachefeldzug

Der "Held", der sogenannte Held, in diesem Roman heißt Art Keller, ein US-amerikanischer Drogenfahnder der DEA, also der Drug Enforcement Administration, die - wenn es politisch gewünscht ist - ganze Landstriche südlich der USA in Rauch und Feuer aufgehen lässt und ansonsten auch nicht so schlecht mit den jeweiligen US-freundlichen Machthabern steht.

Für Keller, der zu Beginn seiner Karriere die jugendlichen Nachfolger der mexikanischen Kartellbosse kennengelernt hat, hört sich die diplomatische Höflichkeit auf, als sein Freund und Kollege von den Nachwuchsbossen zu Tode gefoltert wird.

Der Rest dieses Romans ist ein mehr oder minder einsamer Rachefeldzug, denn der Drogenfahnder Keller muss bald erkennen, dass die "Operation Mittelamerika" zu Zeiten Ronald Reagans und auch danach nicht die Drogenbosse, sondern Aufständische dieser Region im Schussfeld hatte: siehe Nicaragua und die sogenannte "Contra-Affäre", in der Waffen und Drogen, Ausbildner und Söldner munter zwischen Nord und Süd verschoben wurden.

Erhellendes und Grausames

In Don Winslows Roman "Tage der Toten" ist wirklich Erhellendes und absolut Grausames zu lesen. In einer vorantreibenden Sprache und einer hervorragenden Übersetzung ins Deutsche. Es gibt aber auch Überlängen, Wiederholungen und etwas melodramatische Passagen, die schon das Lektorat des renommierten US-Verlags Knopf vor dem Erscheinen des Originals ausräumen hätte können.

Wer nämlich "Frankie Machine", diesen 2009 hierzulande veröffentlichten "Aus- und Wiedereinsteiger-Mafia-Killer-Roman" Winslows, gelesen hat, geschrieben im Stile eines Drehbuchs für Scorsese, wird wohl gerade diese Schwächen bemängeln.

Trotzdem lautet das Fazit: "Tage der Toten" ist ein großer Kriminalroman, einer der besten, die in den letzten Jahren erschienen sind.

Service

Don Winslow, "Tage der Toten", aus dem Amerikanischen übersetzt von Chris Hirte, Suhrkamp Verlag

Suhrkamp - Tage der Toten