Otto-Breicha-Preis an Ilse Haider
Ironisierte Rollenklischees
Nackte weibliche Modelle und männliche bekleidete Künstler, diese Rollen ziehen sich seit Jahrhunderten durch die Kunstgeschichte. Die österreichische Fotokünstlerin Ilse Haider dreht das Verhältnis der Geschlechter um und präsentiert sich mit nackten Männern.
8. April 2017, 21:58
Doch es ist nicht dieser Rollenwechsel allein, der das Werk von Ilse Haider außergewöhnlich und preiswürdig macht. Der aus Salzburg stammenden Künstlerin ist nämlich der Otto-Breicha-Preis für Fotokunst 2011 zugesprochen worden. Das Museum der Moderne Salzburg zeigt im Rupertinum eine Ausstellung zu Ilse Haider.
Kultur aktuell, 29.01.2011
Weiblicher Voyeurismus und Lust am schönen nackten Mann - natürlich könnte man die Ausstellung von Ilse Haider auch so anschauen: Die Künstlerin - bekleidet -, begleitet von vier nackten Männern, als lebensgroße Fotografie, oder: nackte Männer modelliert aus künstlichen Staubgefäßen, nur etwa handtellergroß, oder: Mister Big, ein liegender Mann in vier Scheiben, schön an Kopf und Körper, ein spielzeughaftes Objekt, das auch als Kulisse für Erinnerungsfotos genutzt werden kann.
Ilse Haider gibt zu: "Es macht Spaß, Männer nackt zu fotografieren. Aber es geht auch darum zu überhöhen. Es geht bei mir schon auch um den narzisstischen Mann, den unerreichbaren Mann."
Bilder auf Wattestäbchen
Haiders Thema als Künstlerin ist zum Beispiel das Spiel mit Geschlechterrollen und Schönheitsidealen, wofür sie gern vorgefundene Rollenklischees ironisiert. Sie verwendet eine Werbung für Strumpfmode und zeigt die Strümpfe aber an Männerbeinen, oder sie verwendet Wäscheklammern oder Wattestäbchen - Materialien, die dem weiblichen Lebensbereich zugerechnet werden - als Untergrund für ihre Fotoarbeiten.
Auch technisch ein interessanter Vorgang, wie Margit Zuckriegl erklärt: Haider stelle zuerst den Bildkörper her, eine Art Objektkasten, dann werde die Oberfläche mit einer Fotogelatine-Schicht, die lichtsensibel ist, sensibilisiert und darauf werden die Bilder in der Dunkelkammer projiziert. Dadurch entstehen die fotografischen Abbilder auf den Objekten.
Ein bisschen experimentieren
In den letzten Jahren nutzt Ilse Haider für ihre Fotoarbeiten vielfach Objekte aus Peddingrohr. Dünne Rohre werden über einem Holzuntergrund aufgebracht, waagrecht, schräg oder auch gewölbt, ein bisschen Experiment sei dabei, sagt Ilse Haider: "Ich probiere ein Bild und verschiedene Strukturen und was passiert da? Was bedeutet 'schief' und 'gerade' beim gleichen Bild?"
In mehreren Schichten übereinander verbinden sich dunkle und helle Flecken wie bei einem Vexierbild, aber nur, wenn beim Betrachten Winkel und Entfernung stimmen. "Für mich ist die Interaktion zwischen Betrachter und Bild wichtig", sagt Haider, "dass sich über die Interaktion vom Betrachter zum Bild ein Wahrnehmungsprozess vollzieht. Da geht's auch immer um den Standpunkt." Diese Objekte verbinden Fotografie mit Skulptur, überschreiten die Grenze zur dritten Dimension.
Der Fotografie neue Bereiche erschlossen
1965 wurde Ilse Haider in Salzburg geboren, studiert hat sie unter anderem bei Arnulf Rainer. Am 29. Jänner 2011 wird ihr der Otto-Breicha-Fotopreis verliehen, mit dem seit 1983 ein beachtenswertes fotografisches Werk gewürdigt wird. Ilse Haider wird ausgezeichnet als eine Künstlerin, die der Fotografie ganz neue Bereiche erschließt und zwar mit Kreativität und einer guten Portion weiblichem Humor.
Textfassung: Ruth Halle
Service
"Ilse Haider - Objekte und Fotografien", 29. Jänner bis 10. April 2011, Museum der Moderne Rupertinum.
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (33 Prozent).
MdM Salzburg - Ilse Haider