Volksanwalt kritisiert Jugendwohlfahrt

Kinder zu wenig geschützt

Österreich tut zu wenig, um Kinder - die Kleinsten und Schwächsten in der Gesellschaft zu schützen. Mit dieser Kritik und einem dramatischen Appell an die österreichischen Landespolitiker meldet sich Volksanwalt Peter Kostelka zu Wort. Er kritisiert fehlende Kontrollen der Jugendwohlfahrt und auch deren zu geringen Personalstand.

Morgenjournal, 03.02.2011

Gefährdete Kinder nicht betreut

Das Jugendwohlfahrtssystem in der derzeitigen Form ermöglicht, dass vor allem kleine Kinder misshandelt werden, formuliert Volksanwalt Peter Kostelka, angesichts der in den vergangenen Wochen und Monaten bekannt gewordenen Misshandlungsfälle:

"Das sind keine unvermeidbaren Fälle sondern wären zum Teil sehr wohl vermeidbare Fälle und daher ist das System der Jugendwohlfahrt mitschuldig, weil eben nicht entsprechend kontrolliert wird. Das hat sich jeder einzelne zuständige Landesrat, Finanzlandesrat, Landtag zu überlegen."

Fast keine Kontrollen

Die Volksanwaltschaft ist das Prüforgan der Jugendwohlfahrt auf Bundesebene und in sieben Bundesländern. Volksanwaltschafts-Bereichsleiterin Heidi Pacher sagt, es sei kein Wunder, dass es dramatische Vorfälle vor allem bei Unter-Dreijährigen vorkommen. Einerseits gibt es keine Kindergärtnerinnen oder Lehrerinnen, die Alarmzeichen erkennen könnten. Und andererseits mache die Jugendwohlfahrt aus Personalmangel Hausbesuche nur bei dramatischen Gefährdungsmeldungen, bei eher diffusen Gefährdungsmeldungen nicht:

"Sie lädt Eltern in die Behörde ein und dann wird theoretisch diskutiert, wie gehts den Kindern zu Hause. Und das kann man aber nur feststellen, wenn man sich die Situation in den Familien anschaut, wie Kinder leben. Nicht bei der Behörde. Dort lebt niemand."

Kein Personal

Auch in Wohngemeinschaften und bei Pflegeeltern werde zu selten kontrolliert: "Es gibt einzelne Fälle, wo Pflegeplätze für Kinder zur Geschäftemacherei verkommen. Dass es dann nahezu zwangsläufig zu Misshandlungen kommt, muss man durch Kontrollen verhindern. In manchen Bundesländern wird auch jährlich oder sogar zweimal jährlich kontrolliert - so steht´s jedenfalls im Gesetz. In manchen Bezirken taucht aber in keinem der Heime auch nur ein einziger Beamter ein einziges Mal im Jahr auf."

Neues Gesetz dringend nötig

Die Volksanwaltschaft fordert endlich das neue BundesJugendhilfegesetz, das die Bundesländer bisher mit finanziellen Argumenten blockieren. Eine weitere Forderung: Mehr und intensivere psychologische Hilfe und Erziehungshilfe für Familien. Heidi Pacher:

"Viele Kinder sind zu Hause massivem Stress ausgesetzt. Die haben massive Angst. Und es leben auch viele Eltern in einer Situation die nicht einfach ist. Eine Alleinerzieherin, die drei, vier Kinder hat. Da wäre es halt wichtig, dass man diese Familien auch massiv unterstützt. Das Problem ist, im Vorfeld gibt´s die Hilfe nicht und dann ist es möglicherweise auch zu spät.

Gewalterfahrungsrate hoch

Österreich ist auch in einem OECD-Bericht Schlusslicht: In keinem anderen europäischen Land sind 15-jährige Jugendliche öfter mit Gewalt konfrontiert als in Österreich, das sagt der zweite Bericht zur Kindergesundheit in Österreich. Ein Lösungsmodell ist ein soziales Frühwarnsystem, wie es das in anderen Ländern schon gibt. Damit hätte unter Umständen auch ein Fall Cain verhindert werden können, sagen Experten.

Morgenjournal, 03.02.2011