Doch Mubarak will bleiben
"Tag des Abgangs" in Kairo
Kairo hat am Donnerstag einen weiteren Tag der Gewalt erlebt. Anhänger von Präsident Mubarak haben erneut vergebens versucht, den von Demonstranten besetzten Tahrir-Platz zu stürmen. Auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten waren Ziele von Mubaraks Schlägerbanden. Für heute Freitag hat die Protestbewegung zum "Tag des Abgangs" aufgerufen. Doch Mubarak will nicht gehen.
27. April 2017, 15:40
Direktbericht aus Kairo von Barbara Ladinser
Morgenjournal, 04.02.2011
Wieder Tote und Verletzte
Donnerstag, 20 Uhr. Die Hotelhalle ist stockdunkel, als würde niemand hier wohnen. In der Finsternis beim Eingang sitzen sechs oder sieben Männer. Niemand darf raus. "Die sind hier, um Sie zu schützen", sagt einer, der offenbar ihr Chef ist. Nur ein-, zweihundert Meter weiter ist der Tahrirplatz. Vor allem an dessen Nordseite wurde bis in die Nacht erbittert gekämpft. Mubarak-Anhänger haben mit Steinen, Stöcken und Eisenstangen versucht, die Sperren zu durchbrechen, mit denen die Regime-Gegner alle Zufahrten zum Platz abgeriegelt haben, und ihrerseits mit fliegenden Steinen die Abwehr an den Ausfahrtsstraßen organisieren. Die Armee erscheint immer noch gelähmt, die paar Panzer und Soldaten reichen nicht aus, um die beiden Lager zu trennen. Acht Tote gab es allein am gestrigen Tag und wieder hunderte Verletzte.
"Uns regiert eine kriminelle Bande"
Vom Hotelbalkon sehe ich zum Platz hinüber, er ist vollgepackt mit Menschen. Am Telefon sagt mir Ibrahim, "Wir sind an die 30.000 Leute hier auf dem Platz, und der Slogan bleibt: geh Mubarak, wir bleiben hier, bis du gegangen bist". Ibrahim ist Arzt im notdürftig aufgebauten Feldlazarett. Sie schiessen auch, sagt er, wir haben zwei hier mit Schusswunden. Wer hat die Schlägerbanden nach Tagen friedlicher Proteste plötzlich losgeschickt? Das Regime, ist der deutsch-ägyptische Politologe Hamed Abdel-Samad überzeugt: "Wir werden seit Jahren von einer kriminellen Bande auf allen Ebenen regiert. Es überrascht mich nicht, dass das Regime solche Mittel benutzt. Es gab natürlich viele Profiteure, Geschäftsleute, die jetzt alle Angst haben, dass sie vor Gericht gestellt werden, wenn dieses Regime beseitigt wird." Aber es sei das blinde Um-sich-Schlagen eines wankenden Titanen, sagt Abdel Samad.
Organisierte Hetze
Aber dem Titanen ist es gelungen, Kräfte zu seiner Verteidigung zu mobilisieren, extrem zu polarisieren. Staatliche Medien und Propaganda hetzen gegen die Anti-Mubarak-Bewegung, geben ihr die Schuld am Chaos und wirtschaftlichen Stillstand, klagen sie an, die Zukunft Ägyptens zu gefährden und hetzen auch gegen Journalisten.
"Freitag des Abschieds"
Für die Mubarak-Gegner, die sich vereint und stark fühlen, gibt es kein Zurück und keinen Kompromiss mehr. "Morgen wird der letzte Tag für ihn sein", sagt Dr. Ibrahim am Telefon, der "Freitag des Abgangs". Abertausende werden gegen Mubarak marschieren. Drüben am Platz, wo irgendwo auch Ibrahim ist, höre ich bis spät in die Nacht Sprechchöre und Schlachtrufe. Man darf annehmen, dass sich auch die Mubarak-Anhänger wappnen. Es könnte grimmig werden.