Wände voller Bilder

Museum in Alberto Moravias Wohnung

Vor kurzem wurde in Rom in der einstigen Wohnung des Schriftstellers Alberto Moravia ein ihm gewidmetes Museum eröffnet. Zu sehen ist darin neben persönlichen Möbeln auch die gesamte Bibliothek mit Schwerpunkt Philosophie, Kunst, Film und Psychoanalyse. Außerdem sind die Wände voll von Bildern, die befreundete Künstler Moravia einst schenkten.

Kulturjournal, 07.02.2011

Luca Gabriele nimmt die Besucher in Empfang. Der junge Moravia-Experte führt durch das Reich des Schriftstellers. Ein "attico", sprich ein Penthouse am Lungotevere della Vittoria. Etwas außerhalb des Zentrums, wo Alberto Moravia hingegen bis 1963 gelebt hatte. Nicht ganz zentral, aber unglaublich lichtdurchflutet.

Im Eingangsbereich alles wurde belassen, wie es bis zu Moravias Tod war, schwört Luca, einige Bilder von Freunden. Namen, die wir auch später in anderen Räumen finden: Guttuso, Festa, Schifano. Moravia, erzählt Luca zur Einführung, war zeitlebens ein eleganter Mann, um nicht zu sagen: sehr auf sein äußeres bedacht.

Mode-Spleen

"Das kann man schon an diesem bizarren Portrait sehen, das der Maler Schifano 1965 von ihm gemacht hat", erläutert Luca. "Er hat ein Element ausgenommen, das meiner Meinung nach ganz wesentlich für Moravia ist: das Hemd. Denn die Eitelkeit war ein charakteristisches Element für ihn. Als er in diese Wohnung kam, hat er als erstes überall Schränke angebracht. Er hatte die umfassendste Garderobe, die ich je gesehen habe."

Unzählige Hemden, erzählt uns Luca, hatte Moravia. Unzählig auch die Bücher, die wir sehen. 13.000 liegen und stehen in Kästen und Regalen. Ungeordnet. Ohne spezielles System. Ein Video erwartet die Besucher im kleinen Salon. Moravia, wie ihn die anderen sehen.

Seine Schwester erinnert sich: "Er war immer krank. Bis zu seinem 17. Lebensjahr war er nur im Bett. Und im Bett er 'Die Gleichgültigen' geschrieben. Dann hat er es verworfen und wiedergeschrieben."

Schmerzen durch Fehlbehandlung

Alberto Moravia, 1907 geboren, Sohn einer wohlhabenden katholisch-jüdischen Familie, erkrankte bereits mit neun Jahren schwer an Knochentuberkulose. Aufgrund einer anfänglichen Fehldiagnose wurde der junge Alberto eingegipst, was zu höllischen Schmerzen führte.

Die Literatur, erinnert sich ein Freund, hielt ihn am Leben: "Sein Motor war das Bedürfnis, sein Leiden zu überwinden. Erst in einem Gespräch mit ihm hatte ich verstanden, wie der junge Bursch Moravia durch die Schmerzen zum Schreiben gedrängt wurde. Und auch dass darin seine Kraft bestand: Er hatte sich immer dem Leiden entgegen stellen müssen.

Strenge und nüchterne Zimmer

So eitel Moravia einerseits gewesen sein mag, so streng und nüchtern ist seine Wohnung. Geräumig, aber auf das Notwendigste reduziert. Besonders nüchtern ist das Schlafzimmer. Denn das Bett war für den jahrelang Bettlegrigen negativ besetzt, so Nour Melehi von der Moravia Stiftung. Moravia war ein extremer Frühaufsteher. Und sein Arbeitstag begann gegen sechs Uhr: "Seine Tage begannen mit dieser Ungeduld. Er wollte etwas schaffen und nicht im Bett bleiben. Er begann seinen Tag mit einem sehr einfachen Frühstück. Dann setzte er sich sofort an den Schreibtisch - vor die Schreibmaschine - und begann zu arbeiten. Er arbeitet durch bis zirka 12:30 Uhr."

Gekocht wurde nicht besonders viel, außer es war Moravias Lebensgefährtin, die Schriftstellerin Dacia Maraini im Haus. Sie war es auch, die das Projekt Museo Casa Moravia vorangetrieben hat: "Hier kann man das gesamte Archiv sehen, das wir in den vergangenen Jahren gesammelt haben. Briefe, Artikel, Fotos, Filmausschnitte, Bücher. Das ist alles hier. Und ich bin sehr stolz, dass wir das geschafft haben. Mir war das ganz wichtig. Und es war es wirklich wert."

Moravia und das Kino

Viertausend Briefe befinden sich in der Wohnung. Neben den Fotos und den schon erwähnten Büchern. Viel beschäftigte sich Moravia auch mit dem Kino: "Denn während einer langen Zeit, arbeitete er auch als Filmkritiker. Das war eine Art zweiter Beruf. Und so verbrachte er die Nachmittage im Kino. Dann widmete er sich dem sozialen Leben. Das spielte sich aber vorwiegend außer Haus ab."

Am besten ist Moravia als Romanautor bekannt, sagt Luca, während er uns im Arbeitszimmer die berühmte Olivetti-Schreibmaschine zeigt, auf der der Autor seine Werke tippte. Viel weniger bekannt sind der Essayist und der Reisende Moravia, der Afrika liebte und von dort Masken für seine Wohnung mitnahm. Auch der politische Bürger Moravia, der als unabhängiger Linker im Europaparlament war, ist weniger präsent. Schon früh - wie hier in einer Rede im Parlament - engagierte sich Moravia zum Beispiel gegen Atomkraft und für Abrüstung.

"Herr Präsident, die Existenz von Waffen, die sich unserer Kontrolle entziehen, ist unvereinbar mit jeglicher Kultur - welche auch immer. Wir glauben darüber hinaus aber auch, dass es nicht reicht, diese Waffen nur abzuschaffen - wir müssen den Diskurs auf ethische und ökologische Dimensionen ausweiten", so Moravia damals.

Seiner Zeit voraus

Moravia, überzeugen sich hier in seiner Wohnung die Besucher, war seiner Zeit und seinen Zeitgenossen oft voraus: "Einen Künstler lernt man auch kennen, wenn man weiß, was er gemacht hat. Wie und wo er gelebt hat. Ich glaube es ist für dieses Verständnis sehr wichtig, auch die Orte eines Künstlers kennenzulernen."

1990 starb Moravia in dieser Wohnung während er sich rasierte. Etwas, worauf er immer größten Wert gelegt hat.