Nationalisten in Thailand auf Vormarsch

"Kriegsgefahr" durch Tempelstreit

Der seit Jahren schwelende Grenzstreit um eine Tempelanlage an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha eskaliert seit einigen Tagen wieder. Bei Gefechten sind bereits mindestens 10 Menschen ums Leben gekommen. Tausende sind auf der Flucht. Thailands innenpolitische Querelen sind für die jüngste Eskalation verantwortlich.

Schwerste Gefechte seit langem

Kambodschanische Truppen sollen an der Grenze zu Thailand verteidigen, was nach kambodschanischer Lesart kambodschanisch ist: die Tempelanlage von Prea Vihear, die ein internationales Gericht schon vor 50 Jahren tatsächlich auch Kambodscha zugesprochen hat. Seither sorgt der Tempel zwischen Bangkok und Phnom Penh immer wieder für Spannungen. Die jetzigen Gefechte sind aber die schwersten seit langem. Die Leidtragenden auf beiden Seiten sind die Zivilisten. Tausende haben ihre Dörfer auf beiden Seiten der Grenze in den vergangenen Tagen verlassen. Weiter entfernt liegende Schulen und Tempel dienen jetzt als Massenunterkünfte.

"Potenzial für echten Krieg"

Kambodschas Premier Hun wirft Thailand vor, sich ein Stück kambodschanischen Bodens einverleiben zu wollen. Beim Besuch seiner Truppen ruft er die UNO auf, ihrerseits Schutztruppen zu schicken, um den Konflikt zu entschärfen - zumindest derzeit ein unrealistischer Wunsch. Neben den USA ruft auch der Nachbar China beide Seiten zur Mäßigung auf. China müsse in diesem Konflikt Verantwortung zeigen, sagt Teng Jimeng, Politologe an der Pekinger Universität für Auslandsbeziehungen: "Der Disput zwischen beiden Ländern hat das Potenzial, in einen echten Krieg zu eskalieren. Es ist höchste Zeit, dass sich regionale Organisationen sowie auch die chinesische Regierung in diesen Konflikt einschalten. China hat in beiden Ländern auch umfangreiche wirtschaftliche Interessen und sollte deshalb als Vermittler auftreten. Es wäre gefährlich Thailand und Kambodscha sich selbst zu überlassen."

Nationalisten marschieren

Dass im schwelenden Konflikt um einen Tempel jetzt plötzlich die Gefahr eines Kriegs zwischen Thailand und Kambodscha droht, hat wenig mit Bodenschätzen zu tun oder echten gegenseitigen Gebietsansprüchen. Sondern es geht um innenpolitische Machtkämpfe, um nationalistische Gefühle, um politischen Ehrgeiz, und vor allem in Thailand. Die Nationalisten gehen hier seit Tagen auf die Straßen, vor allem in der Hauptstadt Bangkok. Sie wittern ihre Chance, gegen die ihnen verhasste Regierung in der Öffentlichkeit zu punkten. Sie fordern ein kompromissloses, hartes Vorgehen gegen Kambodscha und scheinen von einzelnen Falken innerhalb von Thailands Armee unterstützt zu werden.

Innenpolitische Unruhe

Mit Hilfe der Armee haben die Nationalisten die jetzige Regierung vor zwei Jahren ins Amt gehievt. Ohne demokratische Wahlen. Forderungen der sogenannten Gelbhemden – die Farbe der Nationalisten - wurden nicht erfüllt, und so will man Premierminister Abhisit jetzt loswerden. Dessen Regierung hat im vergangenen Jahr eine Straßenrevolte des politischen Gegenlagers gerade noch überlebt. Wochenlang besetzten die sogenannten Rothemden, die ihre Anhänger vor allem in den ländlichen Gebieten Thailands haben, das Stadtzentrum Bangkoks. Die Auseinandersetzungen mit Armee und Polizei forderten Dutzende Tote. Noch heuer stehen in Thailand Wahlen an. Der Konflikt mit dem Nachbarn Kambodscha lässt sich da gut instrumentalisieren. Und so scheinen dem Königreich innenpolitisch weiterhin unruhige Zeiten ins Haus zu stehen.