Selbstporträts und Porträts

Egon Schiele im Belvedere

95 Werke wurden aus bedeutenden internationalen Museen und Privatsammlungen für die Ausstellung zusammengetragen, 22 davon sind zum ersten Mal in Österreich. Obwohl Schiele dem Selbstporträt und Porträt sehr hohen Stellenwert beimaß, ist das seit 90 Jahren die erste Museumsausstellung zu diesem Thema.

Mittagsjournal, 16.02.2011

Die verzerrten Minen auf Schieles Selbstporträts sehen aus, als seien sie der Ausdruck einer spontanen Gefühlsregung. Tatsächlich sind sie durchinszeniert: im Atelier, mit zwei Spiegeln, probierte Schiele die Wirkung der Posen durch und erforschte sich selbst. Die Grimassen zeigen seine jugendliche Freude an spielerischer Selbstverwandlung.

"Einerseits war er ein sehr schwieriger Charakter", sagt Belvederedirektorin Agnes Husslein, "sehr egozentrisch und narzisstisch - sonst würde es auch nicht 180 Selbstporträts geben -, aber er war auch ein armer Schlucker, daher hat er auch seine Person verwendet, weil er sich manchmal keine Modelle leisten konnte."

Enge Freundschaft mit erstem Belvedere-Direktor

Die Ausstellung macht den Reifungsprozess des Künstlers deutlich: vom 21-jährigen Schiele, wie er sich geckenhaft mit einer Pfauenweste in Szene setzt, bis hin zu den tiefgehend menschlichen Porträts, wie sie der 28-jährige Schiele von seiner Frau Edith anfertigte.

Dazwischen liegen Kriegsjahre, in denen der Kriegsgegner Schiele berührende Porträts von russischen Gefangenen malte, die er zu beaufsichtigen hatte. Das Porträt seiner Frau Edith aus dem Jahre 1918, in dem Edith bedrückt und traurig aus dem Bild blickt, war übrigens das erste, das der damalige Belvedere-Direktor Haberditzl ankaufte. Heute gibt es mit 16 Werken eine bedeutende Schielesammlung im Museum.

"Haberditzl war eng mit ihm befreundet", erzählt Husslein. Auf dem Gemälde "Edith" hatte Schieles Frau einen gestreiften Rock. "Das hat er nicht gut gefunden und hat Schiele animiert, den Rock in einen einfärbigen Rock zu ändern", so Husslein weiter.

Sensibler Chronist der Menschen

Während sich die frühen Porträts irgendwie ähnlich sehen und man den Eindruck hat, Schiele habe sich auch in den anderen vor allem sich selbst gemalt, wird er - bevor ihn die spanische Grippe 1918 im Alter von 28 Jahren dahinrafft - ein sehr sensibler Chronist der menschlichen Psyche. Selbst die Damen der Wiener Gesellschaft lassen sich jetzt von ihm malen, die das vorher abgelehnt hatten, weil er sie hässlich machte, wie die Schiele-Expertin Jane Kallir sagt.

Die Porträtmalerei war nicht nur für Künstler eine gute Einkommensquelle, sie war auch ein beliebtes Medium der Selbstdarstellung für die neureichen Industriellen.

Wirklich erstaunlich, dass das die erste Museumsausstellung zum Thema Porträt bei Egon Schiele ist, sind doch von den 2.500 bekannten Zeichnungen und Aquarellen etwas mehr als zwei Drittel Bildnisse. Von den 430 Gemälden machen die Porträts ein Viertel aus. Überraschend, dass man selbst bei einem Künstler, den man hundertmal durchleuchtet glaubte, noch einen neuen Aspekt finden kann.

Textfassung: Ruth Halle

Service

"Egon Schile. Selbstporträts und Porträts", 17. Februar bis 13. Juni 2011, Orangerie und Unteres Belvedere,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (EUR 1,-).

Belvedere - Egon Schiele