Thaci weiter im Visier von Marty
Organhandel: Vorwürfe aufrecht
Das Schweizer Europarats-Mitglied Dick Marty bleibt dabei: der nunmehrige Ministerpräsident des Kosovo, Hashim Thaci, soll nach dem Krieg im Kosovo am illegalen Organhandel von Gefangenen verwickelt gewesen sein.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.02.2011
Bis heute keine Klage
Mit seinem Bericht zum Organhandel wurde der Schweizer Dick Marty Mitte Dezember über Nacht quasi zum Staatsfeind Nummer eins im Kosovo und in Albanien. Hashim Thaci dementierte heftig, drohte mit einer Klage, die bis heute auf sich warten lässt. Gleiches gilt für eine ernsthafte internationale Untersuchung, die zwei Monate später noch immer nicht In Sicht ist.
Zur Gefahr, dass sein Bericht schubladisiert wird, sagt Dick Marty: "Die Gefahr ist groß, weil das Problem seit Jahren bekannt ist und doch schubladisiert wurde. Der Bericht hat mindestens den Vorteil, dass jetzt viele Aussagen kommen. Ich habe ein Interview vom Chef der Polizei der UNIMIK in 2000 und 2001, und er sagt, wir haben natürlich gehört vom Organhandel, ich hatte keine Mittel, um diesen Gerüchten nachzugehen."
Marty spricht von Beweisen
Sporadische Untersuchungen gab es, doch selbst für das Haager Tribunal war die Suppe – warum auch immer - zu dünn. Dick Marty war offensichtlich erfolgreicher. Er gibt an, Beweise für fünf bis zehn Fälle von Organhandel in Nordalbanien zu haben.
Dick Marty: "Das ist, was ich erfahren habe von Zeugen, die wirklich Zeuge waren. Ob das mehr Fälle sind, was wahrscheinlich ist, das weiß ich nicht. Was ich nicht glaube, dass alle Verschwundenen Opfer des Organhandels wurden; die wurden einfach erschossen. "
Zahlreiche Ärzte beteiligt
Doch lediglich die Organentnahme, vor allem von Nieren, erfolgte in Albanien, betont der Schweizer: "Es wurde eine Verbindung hergestellt mit einem internationalen Ring von Organhändlern und die Transplantationen wurden außerhalb von Kosovo und Albanien getätigt. Was übrigens neu ist, ist dieser Fall Medicus, der tatsächlich in Pristina aber Jahre später geschehen ist, und meines Erachtens sind mindestens die gleichen Leute wieder am Werk."
Dazu zählen ein berüchtigter türkischer Chirurg, ein kosovarischer Urologe und ein Arzt, der Berater und Parteigänger von Ministerpräsident Hashim Thaci ist. Sie alle sollen 2008 in der Privatklinik Medicus bei Pristina an illegalen Transplantationen beteiligt gewesen sein.
Thaci soll es gewusst haben
Die Klinik ist geschlossen; die EU-Justizmission EULEX führte ein Vorverfahren durch, und in zwei Wochen soll die Entscheidung fallen, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Zur Rolle, die Ministerpräsident Hashim Thaci vor mehr als zehn Jahren beim Organhandel in Nordalbanien gespielt haben soll, sagt Marty:
"Ich habe nie behauptet, dass er persönlich, dass er physisch tätig war. Aber Tatsache ist, dass sind seine Leute, und wenn man weiß, wie dort die organisierte Kriminalität arbeitet, da kann man sich nicht vorstellen, dass einer der wichtigsten Chefs der Organisation davon überhaupt nichts gewusst hat."
Hauptfigur der organisierten Kriminalität
Den Organhandel sieht der Schweizer aber nur als Teilmenge der Organisierten Kriminalität im Kosovo, und da soll Hashim Thaci eine Hauptfigur sein, betont Dick Marty:
"Thaci ist seit 1998 in verschiedenen Berichten, zuerst vom FBI, dann vom BND, ein NATO-Bericht von 2003, ein UNO-Bericht auch - überall wird Thaci als führende Persönlichkeit der Organisierten Kriminalität im Kosovo genannt. Aber man hat sich nie Mühe gegeben, um das wirklich zu untersuchen. Die Philosophie war - Vergangenheit ist Vergangenheit, und die Hauptsache ist die Stabilität der Region."
Untersuchung überfällig
Marty ist überzeugt, dass sein Bericht genügend Hinweise für eine Untersuchung der Vorwürfe zum Organhandel enthält, die Juristen, Gerichtsmediziner und andere Experten durchführen sollten. Doch EULEX und der Kosovo komme als Organ und als Ort nicht in Frage, weil der Zeugenschutz nicht gewährleistet sei.