Theaterstück über Amoklauf
"Dirty Rich" im Dschungel Wien
Fast zwölf Jahre ist es her, als an der Columbine Highschool in Littleton zwei Jugendliche 13 Schüler und Lehrer bei einem Amoklauf getötet haben. Das Massaker von Littleton hat schon Filmemacher wie Gus van Sant ("Elephant") und Michael Moore ("Bowling for Columbine") inspiriert, jetzt nimmt sich ein Theaterstück im Dschungel Wien der Thematik an.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal | 21 02 2011
In "Dirty Rich" wird das School Shooting dem Stoff von Shakespeares "Richard III" gegenübergestellt. Das Stück setzt sich mit Themen wie Gewalt und Aggression, Narzissmus, Streben nach Macht, sozialer Ausgrenzung und der Suche nach Anerkennung und Liebe auseinander.
"Dirty Rich - Stell dir vor du läufst Amok und keiner läuft mit" hat am Montag, 21. Februar 2011 im Dschungel Wien Premiere.
Anregung durch Luk Perceval
Am 20. April 1999 stürmen der 18-jährige Eric Harris und der 17-jährige Dylan Klebold die Columbine Highschool in Littleton und erschießen 13 Schüler und Lehrer und schließlich sich selbst.
Regisseur Michael Pöllmann ist zu diesem Zeitpunkt selbst knapp 17 Jahre alt - als er zehn Jahre später am Konservatorium in Wien Schauspiel studiert, setzt er sich mit dem Stück "Schlachten" von Tom Lanoye und Luk Perceval auseinander, jenem zwölfstündigen Shakespeare-Konzentrat aller Königsdramen, das bei den Salzburger Festspielen gezeigt wurde.
Selbsthass und Macht
"Dann hab ich die beiden Sachen unabhängig voneinander betrachtet und bin draufgekommen: Richard III. könnte von seiner Persönlichkeitsstruktur heutzutage ein School Shooter sein. Da ist ein sehr starker Selbsthass dabei, ein Nicht-mit-der-Umwelt-Klarkommen, ein Sich-an-der-Welt-rächen-Wollen und das Gefühl der Macht. Diese Begriffe kommen bei Richard III. vor und auch ganz stark bei Harris und Klebold."
Für sein Stück verwebt Pöllmann Textzitate aus dem Perceval/Lanoye-Text mit Original-Tagebuchaufzeichnung der Littleton-Attentäter, die er im Internet gefunden hat: "Die Shooters von Columbine waren keine Monster. Das sind ganz klassische Jugendlichenprobleme, die sie dort in den Briefen beschreiben - also Dylan Klebold beschreibt das. Eric Harris ist weitaus psychotischer in seinen Texten und weitaus agressiver und gewaltbereiter. 1999 beschreibt er: Wenn sie die Technik der Zeitbomben beherrschen, werden sie alles in die Luft jagen, was sie nur finden - und es wird wunderschön sein, es wird wie der Zweite Weltkrieg, wie Vietnam, alles zusammen sein und wenn sie es irgendwie überleben, dann greifen sie New York an und bombardieren die Stadt mit einem Flugzeug, das sie entführen werden."
Keine einseitigen Schuldzuweisungen
Die Gründe für einen Amoklauf seien zahlreich und ließen sich auch anhand der Richard-Figur aufzeigen, so Pöllmann. Das junge Publikum soll auf Hintergründe und Zusammenhänge aufmerksam gemacht werden, und zum Nachdenken angeregt werden: "Ich sehe es ganz schwierig, dass man sagt: Die bösen Computerspiele sind daran schuld, dass jetzt einer Amok läuft, nur die Gesellschaft ist schuld. Das ist immer ein Zusammenspiel aus allen Faktoren - sei es eine psychische Störung, sei es Mobbing in der Schule, sei es eine verletzte Liebe, sei es ein Hang zu Gewaltspielen am Computer. Das ist immer eine dichte Mischform aus dem allen."
Kein erhobener Zeigefinger - darauf legen heute die meisten Theatermacher wert. So auch Michael Pöllmann, der Tanz und Musik dazu nutzt, um dem Stück die nötige Dynamik zu verleihen, aber auch, um das Innenleben der Amokläufer darzustellen.
Charaktere neutral gezeichnet
Aber läuft man mit einem trendigen Theaterstück wie diesem nicht auch Gefahr, die beiden Amokläufer als Helden, wenn auch als negative Helden, darzustellen und ihren kranken Fantasien ein Forum zu geben? Nein, sagt Pöllmann: "Wir versuchen, die beiden Charaktere ganz neutral zu betrachten, also nicht zu sagen: Das ist gut und das ist schlecht. Was sie geschrieben haben, steht einfach für sich. Wir haben immer darauf geachtet, dass diese Texte einfach für sich stehen und dass sie so neutral wie möglich von den Schauspielern erzählt werden und es ganz wenig Wertung zu den Texten gibt."
Damit appelliert Pöllmann an ein reifes und reflektiertes Publikum. Und da die meisten Besucher im Rahmen von Schulaufführungen kommen, sind auch engagierter Lehrerinnen und Lehrer gefragt, die das Thema für weiterführende Diskussionen aufgreifen.
Textfassung: Rainer Elstner
Service
Tom Lanoye und Luk Perceval, "Dirty Rich", 21. Februar bis 2. Mai 2011, Dschungel Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (EUR 1,-)
Dschungel Wien - Dirty Rich