Experten warnen vor Arbeitskräftemangel
Dumpinglöhne im Pflegebereich
Die Debatte um Gehaltskürzungen beim Wiener Pflege-Dienstleister Sozial Global führt wieder einmal vor Augen, wie schlecht Pflegekräfte in Österreich entlohnt werden. Experten warnen: Wenn sich daran ändere, werde sich bald niemand mehr finden, der diese Arbeit macht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 24.2.2011
Was ist uns Pflege wert?
Anfangsgehalt 1.900 Euro brutto. Was Pflegekräfte verdienen, ist skandalös wenig, sagt Ursula Frohner vom Gesundheits- und Krankenpflegeverband. Der Kollektivvertrag müsse hier unbedingt angepasst werden: "Wenn hier keine sichtbare Zahlen auf den Tisch gelegt werden, wird diese Leistung nach wie vor keine Wertigkeit in der Gesellschaft haben."
Der Kollektivvertrag für Gesundheits- und Sozialberufe sei eine Mindestabsicherung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagt Wolfgang Gruber von der Berufsvereinigung der Arbeitgeber. Er sei froh, dass es den Vertrag überhaupt gibt, er sei nach mühsamen Verhandlungen 2003 zustande gekommen. Davor habe es einen regelrechten Wildwuchs gegeben.
Fördergeber sparen
Allerdings, so Gruber weiter: Wenn Bund und Länder bei der Pflege weiter sparen, müssten das auch die Arbeitgeber bei den Gehältern tun: "Fakt ist, dass die Fördergeber uns derzeit ziemliche Schwierigkeiten bereiten." Die Finanzierung sei schon derzeit schwierig. Wird weiter gekürzt, so müsse man beim Dienstleistungsangebot reduzieren, sagt Gruber: "Und das kann nicht Aufgabe einer entwickelten Gesellschaft sein."
Dumpinglöhne und steigender Bedarf
Die Politik muss sich endlich eingestehen, dass Pflege etwas kostet, sagt Ursula Frohner. Sonst werde man das Image des Berufs nicht verbessern können und bald keine qualifizierten Fachkräfte mehr finden. Denn man könne nicht verlangen, dass soziale Kompetenzen von Arbeitnehmerinnen Systemmängel ausgleichen.
Es gebe keinen Dienstleistungsberuf, der sich derartigen Dumping-Anforderungen stellen müsse, so Frohner: "Ich finde das schlicht und einfach skandalös." Und die Zahl derer, die Pflege brauchen, wird in den nächsten Jahren stark steigen, warnen die Experten.
Mittagsjournal, 24.2.2011
Änderungskündigung zulässig
Er verstehe die Sorgen der Betroffenen beim PFlegedienstleister Sozial Global, sagt Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Mazal. Rein rechtlich gesehen sei die Methode der Änderungskündigung jedoch zulässig, bis das kollektivvertragliche Lohnniveau erreicht sei.
Problematisch sei aber ganz grundsätzlich, dass im Pflegebereich zu wenig Geld vorhanden sei, um adäquate Löhne zu bezahlen, so Mazal: "Das ist eine Entwicklung, die wir seit vielen Jahren mit Besorgnis beobachten. Man spart leider besonders im Sozialbereich und das führt dazu, dass Träger zu solchen Mitteln, wie Änderungskündigung greifen müssen."
Sind Autos wertvoller als Menschen?
Generell sei die Arbeit von Pflegekräften schlecht entlohnt. Durchschnittlich verdienen sie etwa 1.000 Euro netto. Und das sei vor allem im Zusammenhang mit Anti-Diskriminierung relevant: "Es stellt sich die Frage warum ausgerechnet die Arbeit von Pflegekräften deutlich geringer bewertet wird als beispielsweise die Arbeit von Mechanikern", sagt Wolfgang Mazal. Mechaniker verdienen nämlich so ungefähr das Doppelte. Hier herrsche dringend gesellschaftlicher Diskussionsbedarf, so Mazal: "Sollten uns die Menschen nicht mehr wert sein, als Autos?"