Von Bronner das Wesentliche gelernt

Cornelius Obonya über das Erkennen

"Manchmal geniert man sich, wenn man sich Menschen nicht merken kann, das hat wahrscheinlich mit dem rotierenden Gehirn zu tun, das ständig ach so wichtig mit sich selbst beschäftigt ist, dass man nicht merkt, wie man an Menschen vorbei rennt." Der Schauspieler Cornelius Obonya.

Grund genug hätte er ja, sich mit sich selbst zu beschäftigen, schließlich wird er am Freitag, 25. Februar 2011, im Rahmen der Langen Nacht des Hörspiels im Radiokulturhaus zum Schauspieler des Jahres 2010 gekürt. Doch die größte Kunst, so Obonya, sei für ihn, von sich selbst abzusehen und sich auf ein Gegenüber einzulassen.

Cornelius Obonya, Schauspieler des Jahres 2010

Ich glaube, ein bleibender Moment entsteht, wenn man sich zu einem gewissen Zeitpunkt an einem gewissen Ort mit einer Person aufhält.

Kein gutes Namensgedächtnis

Nicht immer gelinge es ihm freilich, Menschen mit gebotener Aufmerksamkeit zu begegnen, peinlich oft fallen ihm etwa die Namen zu den dazugehörigen Gesichtern nicht ein, wie er sagt, oder er hat umgekehrt das Gesicht zu einem Namen vergessen. Ob Begegnungen einen bleibenden Eindruck hinterlassen, hängt von einem ganz bestimmten Moment ab, so Obonya, und dieser Moment ist bleibend - oder flüchtig:

"Ich glaube, ein bleibender Moment entsteht, wenn man sich zu einem gewissen Zeitpunkt an einem gewissen Ort mit einer Person aufhält. Als meine Frau und ich uns kennen gelernt haben, war es genau richtig, ein paar Jahre früher hätten wir uns, um es mit ihren Worten zu sagen, 'mit dem Arsch nicht angeschaut!' Wir hätten einander nicht erkannt, das ist ja ein Satz, der schon in der Bibel steht. Wir hätten uns nicht gesehen, auch wenn wir voreinander gestanden wären, weil die Lebenssituationen anders waren. Aber damals, vor mittlerweile fast zehn Jahren, haben wir uns gesehen, und das hält heute noch an, das ist das Schöne."

Mutter Elisabeth Orth als Vorbild

Cornelius Obonya ist Spross einer berühmten Schauspielerdynastie: Er ist der Enkel von Paula Wessely und Attila Hörbiger. Seine Mutter, Elisabeth Orth, zählt wohl zu den eigenwilligsten Persönlichkeiten im Clan, und von ihr habe er auch, so Cornelius Obonya, die für ihn wichtigste Charaktereigenschaft vermittelt bekommen:

"Was bleibt, ist möglichst eine klare Haltung zu haben, nicht zu feig sein, sie auch zu äußern, obwohl es ab und zu sehr schwer ist, wir bewegen uns ja alle in Systemen, wo es nicht immer einfach geht, dass man seine Meinung offen sagt. Manchmal ist man auch zu feige, und manchmal ist man es eben nicht - und je weniger man es ist, desto mehr denke ich da an meine Mutter."

Das Spiel ist das Wichtigste

Wiener Volkstheater, Schaubühne Berlin, Burgtheater, Schauspieler des Jahres und Hörspiel-Künstler. Im Laufe seiner beachtlichen Karriere zehre er bis heute von seinem ersten Lehrmeister, sagt Obonya. Gerhard Bronner war es, der ihn Wesentliches lehrte:

"Man kann ja in unserem Job stundenlang reden, man kann Probezeiten richtig an die Wand fahren, indem man sich ständig nur sagt, wie toll man einander findet oder wie wenig toll man einander findet, und das genau ist das Uninteressante! Im Mittelpunkt steht das Spiel, das ist das Wichtigste, alles drum herum ist bloß Ablenkung. Als ich noch in der alten Marietta-Bar mit Bronner gearbeitet habe - das Programm hieß 'Die neuen Besen und der Dauerbronner' - da gingen hinter uns die Bohrer los, weil die Bar gerade renoviert wurde, aber das hat den Gerhard gar nicht gestört, der setzte sich einfach ans Klavier und hat weiter geprobt, und das hat mir maßlos imponiert! Von Gerhard Bronner habe ich eine gewisse respektvolle Art, diesem Beruf zu begegnen gelernt, und gleichzeitig auch eine gewisse Respektlosigkeit in dem Sinne: Ich werde versuchen, es zu lernen, und ich werde es schon merken, wenn ich scheitere. Nur es nicht zu versuchen, das gilt nicht, das gibt es nicht. Diese Einstellung von Bronner hat mich mit Sicherheit geprägt."

Sich öffnen können

Damit eine Begegnung Substanz hat, die sie schließlich bleibend macht, muss eine Grundvoraussetzung gegeben sein - für Cornelius Obonya stellt sich die maßgebliche Frage:

"Welche Begegnung erzeugt am wenigsten Angst in mir? Wem kann ich mich öffnen, mit wem kann ich offen reden? Jeder hat seinen Schutzpanzer, und den muss er ja auch haben, sonst wird man ja irre, wenn man sich allem und jedem öffnet. Aber wenn es zu dieser Öffnung kommt, wenn ich das Gefühl habe, Furcht zu verlieren, dann ist ein Moment möglich, der Substanz haben kann für etwas Weiteres. Und man muss möglichst oft von sich selbst absehen, dann ist ein Moment der Substanz in einer Begegnung möglich."