Start der Serie "Theater im Abseits"
Das Scala Theater Wien
Trotz Mini-Budgets bieten die kleinen Bühnen oft ein ambitioniertes Programm. Eines davon ist das Scala Theater in der Wiedner Hauptstraße. Das Scala Theater in Wien, das von Intendant Bruno Max geleitet wird, hat erst vor kurzem sein 15-jähriges Bestehen gefeiert. Bruno Max bespielt mit seinem Ensemble "Theater zum Fürchten" übrigens auch das Stadttheater Mödling.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 24.02.2011
"Waidman(n)sheil" steht auf dem neugotischen Gebäude mit den kleinen Türmchen - einziger Hinweis darauf, dass das Theater in der Wiedner Hauptstraße Nummer 108 einst das Hotel Jägerhof war. Von Jägerstüberl-Atmosphäre ist nicht mehr viel übrig, und wer ein muffiges Kellertheater erwartet, ist zuerst einmal von der Weitläufigkeit des Eingangsbereiches überrascht: Rote Samtvorhänge, bequeme Sitzmöbel und eine frisch renovierte Bar laden zum gemütlichen Verweilen ein, drei Monitore an den Wänden weisen auf kommende Produktionen hin. Und Hausherr Bruno Max führt stolz durch sein Reich.
"Das Buffet wurde erst kürzlich neu renoviert. Hier im Foyer haben wir Kantinenatmosphäre aus den vielen Produktionen, die wir gemacht haben", erklärt Max.
Lieber große Bühne als leere Sitzreihen
Langsam treffen die ersten Besucher ein, eine gute Mischung aus älteren Ehepaaren, Damenrunden, jungen Pärchen und Studentengruppen. Viele mit Abo, einige Stammbesucher. "Man merkt, dass die offensichtlich nicht fürs große Geld spielen, sondern fürs Theater", merkt ein Besucher an. "Es ist ein sehr lebendiges Theater."
Der Zuschauerraum, aber auch die Bühne des Scala Theaters sind flexibel. Guckkastenbühne, Arenabühne, Laufstegbühne, alles ist möglich. Den Zuschauerraum kann man bis zu 160 Plätzen ausbauen, sagt Bruno Max. Aber ihm sei lieber eine größere Bühne als eine leere Sitzreihe. Heute ist der 95 Zuschauer fassende Saal längst nicht voll, und doch für einen Wochentag gut besucht. "Bloody Poetry" heißt das Stück, das hier seit einer Woche läuft.
"Es geht um vier junge Leute, die miteinander einen Sommer verbringen", erzählt Max den Inhalt des Stücks. "Nur sind diese Leute nicht gerade der Durchschnitt der Menschheit, sondern es handelt sich um Percy Shelley und Lord Byron und Mary Shelley und Claire Clermont , die in diesem Sommer 1816 am Genfer See die Welt aus den Angeln heben wollen." Vier Menschen, die glauben, dass sie eine neue Epoche beginnen werden in diesem Sommer, "danach verlieren sich diese Menschen sehr schnell wieder in einem katastrophalen Künstleralltag".
Bewegte Geschichte
Katastrophal ist sein Künstleralltag nicht, aber doch sehr bewegt, immerhin leitet Bruno Max ein Ensemble von rund 30 Personen. Mit dieser Truppe, die sich "Theater zum Fürchten" nennt, bespielt er nicht nur die Scala in Wien, sondern auch das Mödlinger Stadttheater und im Sommer den ehemaligen Luftschutzstollen, "Theater im Bunker". Bei einem Ensemble, das alle zwei bis drei Wochen eine Premiere herausbringt, so Bruno Max, sei es weitaus günstiger, ein eigenes Haus zu führen, als sich für jede Produktion neu einzumieten. Und so konnte die Truppe vor 15 Jahren hier ihre Heimat finden, in einem Haus mit einer bewegten Geschichte.
"Vom Hotel verkam es zum Stundenhotel und später zur Studentenherberge, bevor es wieder zu einem Wohnhaus umgebaut wurde", sagt Max. "In den Räumen des Theaters selber befand sich fast 40 Jahre lang das Atlantiskino, zuletzt ein jugoslawischer Boxclub."
Feuer, Leidenschaft und Energie
Das Büro liegt im Gebäude neben dem Theater. Die ehemalige Supermarktfiliale ist vollgestopft mit Büchern, Zetteln und Requisiten und zeugt von einer regen künstlerischen Tätigkeit.
Ein feuerspeiender Drachen ist das Logo des Theater zum Fürchten. Es prangt über der Tür, auf den Plakaten, Programmheften und Eintrittskarten. Ein Logo, das besser nicht passen könnte. Voll Feuer, Leidenschaft und Energie hat sich Bruno Max dem Theater mit Haut und Haaren verschrieben. Das vornehm zurückgezogene Intendantentum ist nicht seines. Viel eher gleicht er mit seiner schwarzen Haarmähne und dem Vollbart einem Zirkusdirektor, der die Ärmel aufkrempelt und selbst mitanpackt.
"Es unterscheidet sich halt wohltuend von den ganz großen Kästen dadurch, dass man am gesamten Produktionsprozess beteiligt ist, auch als Schauspieler", so Max. "Für autoritäres Theater haben wir auch nicht die Macht, wir können ja nicht so tolle Gagen zahlen, dass sich die Leute dafür demütigen lassen oder gar vergewaltigen. Stattdessen beuten wir - eigentlich alle Beteiligten - uns bei der Arbeit permanent aus."
Gleich gebliebene Subventionen
Das Scala Theater wird von der Stadt Wien mit 300.000 Euro Standortförderung subventioniert - ein Betrag, der seit vielen Jahren gleich geblieben ist. Von der Stadt Mödling kommen noch einmal so viel dazu. Und auch das Land Niederösterreich und der Bund beteiligen sich an den Kosten..
Hätte man fünfmal so viel Geld, würde bei ihm nicht die Qualität steigen, sondern die Bequemlichkeit, sagt Bruno Max. Er sei schon froh, sein eigener Herr zu sein, nicht auf Gastproduktionen angewiesen zu sein und beide Häuser mit Selbstgemachtem füllen zu können. "Gastproduktionen sind außerordentlich gefährlich, sie wohnen einem das Haus wieder feucht. Also es ist das Problem, da sagt jemand nach fünf Jahren: ach, da hab ich was gesehen, das war so furchtbar... Ach das wart's gar nicht ihr, das war nur jemand, der bei euch eingemietet war?" Darauf kann Max gerne verzichten.
"Das schönste Wohnmobil Österreichs"
Weil Bruno Max vom Theater nicht genug kriegen kann, eröffnet er bald schon sein nächstes. Er hat den ehemaligen Bücherbus der Stadt Wien übernommen und ihn zum fahrenden Teatro mobile umgebaut. Der Bus bietet Platz für rund 20 Zuschauer, mit kleinem Ensemble aus zwei bis drei Schauspielern könne man in die Bezirke fahren und dort im Stundentakt 50-Minuten-Produktionen anbieten. Angedacht sind etwa Geschichten aus tausendundeiner Nacht, eine Sherlock-Holmes-Schiene oder der Ghostbus um Mitternacht.
Bruno Max abschließend: "Wichtig ist mir auch, einfach präsent zu sein an Orten, wo es kein Theater gibt. Im 10. oder 11. Bezirk gibt es so gut wie nix – und da sich einfach hinzurotzen und irgendwie dem Ausverkauf an Videotheken und Kabelfernsehen Trotz zu bieten, das ist theatralisches Bekennertum. Und sollte das überhaupt nicht funktionieren, hab ich immer noch das schönste Wohnmobil Österreichs."
Textfassung: Ruth Halle
Service
Howard Brenton, "Bloody Poetry", bis 12. März 2011, Theater Scala,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (20 Prozent).
Theater Scala