Frankreichs Mexiko-Jahr in Gefahr

Sarkozy verärgert Mexiko

Ein diplomatischer Faux-Pas des französischen Staatspräsidenten gegenüber Mexiko - bewusst begangen oder Ausdruck einer überstürzten Reaktion - hat die zum Teil mehrjährige Arbeit von Aberhunderten Kulturschaffenden zunichte gemacht. Im Rahmen des "Mexiko-Jahres" in Frankreich waren bis Dezember 2011 mit einem Budget von über 50 Millionen Euro mehr als 300 Kulturveranstaltungen geplant.

Nun hat sich Mexiko von diesem Vorhaben zurückgezogen, aus Protest gegen Präsident Sarkozys Ankündigung, er wolle dieses Mexiko-Jahr einer jungen Französin widmen, Florence Cassez, die von der mexikanischen Justiz in einem in der Tat zweifelhaften Verfahren wegen Beihilfe zur Entführung zu 60 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und um deren Freilassung sich Frankreich seit Jahren vergeblich bemüht.

Kultur aktuell, 25.02.2011

Unzulässige Einmischung

Die großen Institutionen und ganz Frankreich, so der französische Verantwortliche bei der offiziellen Eröffnung des Mexiko-Jahres vor gerade mal drei Wochen, seien mobilisiert, um die Kulturnation Mexiko zu empfangen. Heute schweigt dieser Mann. Frankreichs früherer Bildungsminister Xavier Darcos, und ist verzweifelt - wie so viele im Land. Mexiko betrachtet Präsident Sarkozys Äußerungen als Affront, als unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates und zieht sich zurück.

Der Rückzug Mexikos aber, das den Großteil der Finanzierung dieses Mexiko-Jahres trägt, bedeutet: Hunderte Flugtickets mexikanischer Künstler sind nicht mehr finanziert, Kunstwerke für Ausstellungen werden zurückgeholt oder kommen erst gar nicht, Versicherungssummen sind nicht mehr abgedeckt. Quer durch Frankreich sind Veranstalter und Verantwortliche fassungslos. Auch der Direktor des Pariser Orsay-Museums schweigt, sieht die große, geplante Schau mexikanischer Kunst von 1810 bis 1920 gefährdet. Andere mussten schon resigniert aufgeben.

Ausgepackt und gleich wieder eingepackt

Ein kleines, aber feines gallo-romanisches Museum im Rhonetal bei Vienne zum Beispiel hatte letzten Freitag 200 Werke der alten Kulturen von Veracruz ausgepackt, um sie, in Anwesenheit mexikanischer Experten, zu Beginn dieser Woche wieder einzupacken. Der zuständige Kurator: "Wir wollten den Besuchern Kulturen zeigen, die hierzulande weitgehend unbekannt sind, und es sind Werke, die Mexiko noch nie verlassen hatten und zum allerersten Mal in Europa gezeigt werden sollten."

Das Museum der modernen Künste in Bordeaux weiß zur Stunde nicht, ob seine von langer Hand geplante, große Diego-Rivera-Ausstellung am 10. März 2011 seine Pforten öffnen kann. "Das Layout des Katalogs ist fertig, wir machen weiter", sagt die Direktorin des Museums. "Das Plakat für die Ausstellung ist auch fertig und wir haben seit einem Jahr so viel gearbeitet, dass wir nicht aufgeben wollen. Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben."

Zahlreiche Absagen drohen

Nicht so das einzige große private Pariser Museum, die Pinakothek. Sie hat eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres bereits abgesagt: eine Ausstellung von ganz selten gezeigten Jade-Masken der Mayas. Der Direktor beziffert den Schaden mit sechs Millionen Euro und lässt durchblicken, er werde Schadenersatz fordern.

Absagen drohen bei Musikfestivals in Belfort und Toulouse, bei den Fototagen in Arles, beim Festival d'Automne in Paris. Der konservative Senator und Bürgermeister von Biarritz, dessen Stadt ebenfalls die Annullierung mehrerer Veranstaltungen zu fürchten hat, kocht vor Wut: "Die französische Diplomatie war arrogant. Man behandelt die Institutionen einer Demokratie mit über 100 Millionen Einwohnern nicht auf diese Art, man stellt Entscheidungen mexikanischer Gerichte und des Kassationsgerichtshofs nicht so leichtfertig in Frage, wie Frankreich das getan hat."

Alles in allem ein Fiasko, wie die Tageszeitung "Le Monde" am 24. Februar auf ihrer 3. Seite schrieb. Auch für das Image Frankreichs. Mexikos größter lebender Schriftsteller, Carlos Fuentes, sagte, Nicolas Sarkozy habe sich in dieser Angelegenheit verhalten, wie der Diktator einer Bananenrepublik.