Globale Jagd nach Ackerland

Land grabbing

Die Weltbevölkerung nimmt zu, fruchtbares Ackerland nimmt weltweit ab. In den letzten 20 Jahren hat sich die weltweit verfügbare Agrarfläche pro Kopf halbiert. Ölstaaten wie Saudi-Arabien, die wenig Agrarland, aber viel Geld haben, leiten eine neue Form des Kolonialismus ein: Sie erwerben oder pachten riesige Ackerflächen in Afrika und Asien.

"Eine Farm wie unsere finden sie sonst nirgends! Wir produzieren hier Erdbeeren, Tomaten, Salate, Kräuter, Zucchini, Spargel – 85 verschiedene Sorten das ganze Jahr hindurch." Jan Prins schwärmt von Äthiopien. Seit fünf Jahren arbeitet der Holländer in dem Land, das man eher mit Hunger als mit Gemüse assoziiert. Woche für Woche produziert er 180 Tonnen Gemüse.

Mit Ausnahme seiner 3.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bekommen die Äthiopierinnen und Äthiopier davon kaum etwas zu sehen. "Wir beliefern Kunden, die höchste Qualität erwarten. Zum Beispiel die Fünf-Sterne-Hotels in Dubai, in Katar und Saudi-Arabien. Sie geben am Morgen ihre Bestellung auf, mittags verlassen unsere Produkte die Farm, abends sind sie am Flughafen und am folgenden Morgen beim Kunden." Ungefähr 800.000 US-Dollar erwirtschaftet Jan Prins pro Monat.

Gemüseexporte trotz Hunger im Land

Das World Food Program der Vereinten Nationen hat in Äthiopien eines seiner größten Länderprojekte. Etwa sieben Millionen Menschen bekamen 2010 Nahrungsmittelhilfe, weil sie unter- oder mangelernährt sind. Jan Prins sieht keinen Widerspruch darin, Gemüse zu exportieren, obwohl im eigenen Land Menschen hungern. Ganz im Gegenteil, es sei eine Win-win-Situation: "Die Regierung braucht Devisen. Wir bringen die Devisen ins Land, damit sie Weizen für die Hungernden kaufen kann."

Die 20-jährige Sanait arbeitet seit einem Jahr auf der Farm von Jan Prins. Sechs Tage pro Woche pflanzt oder erntet sie Gemüse. Verdienst: 16 Euro im Monat. Das reicht gerade zum Überleben, manchmal müssen ihr die Eltern mit Mehl aushelfen. Sie wohnt in einer fensterlosen Kammer mit gestampftem Lehmboden. Von der Decke baumelt eine Glühbirne, das Wasser schleppt sie 500 Meter weit im Kanister heran. "Ich habe noch nie von dem Gemüse gegessen, das auf der Farm angebaut wird. Ich kann es mir nicht leisten, und es ist verboten, auf der Farm etwas davon zu probieren."

Profite für Investmentfirmen

Jan Prins' Gemüsefarm ist nur ein kleines Beispiel für einen Trend, der sich derzeit in vielen Ländern Afrikas und Asiens beobachten lässt. Ausländische Investoren sichern sich Ackerland, eine zunehmend knappe und damit kostbare Ressource, mit der sich sehr viel Geld verdienen lässt. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die weltweit verfügbare Agrarfläche pro Kopf halbiert. Bis 2050 wird sie sich noch einmal halbieren. Lebensmittel werden knapp, die Preise steigen. Allein 2009 sind 100 Millionen Menschen zusätzlich zu Hungernden geworden.

Für internationale Investmentfonds bedeutet die Verknappung von Agrarland ein hochprofitables Geschäft. Sie haben geschätzte 20 Milliarden Dollar eingesammelt, um Agrarland zu kaufen. Ihren Investoren versprechen sie Renditen von 25 bis 30 Prozent. Susan Payne, Gründerin der Investmentfirma Emergent, zählt zu den Pionierinnen und Pionieren in diesem Bereich. Ihr Unternehmen betreibt in Sambia und den Nachbarländern mehrere Großfarmen.

Ein 2005 gestartetes Pilotprojekt erzielte in dreieinhalb Jahren 120 Prozent Gewinn, berichtete sie auf einer Investoren-Konferenz in Genf im November 2010. Investitionen im Agrarbereich, sind die Veranstalter überzeugt, werden sich in den nächsten Jahren vervielfachen.

Der Rosen-Kaiser

Ramakrishna Karuturi hat ein Siegerlächeln und strahlend weiße Zähne. Man könnte ihn als Rosenkönig bezeichnen, 555 Millionen Rosen produziert er pro Jahr. Nun möchte er Agrarkaiser werden. Von der äthiopischen Regierung hat er 311.000 Hektar Ackerland gemietet - eine Fläche, die fast so groß ist wie das Burgenland. Eine Win-win-Situation, sagt auch er. Die Äthiopier bekommen Kapital, Know-how, Arbeitsplätze und Devisen aus den Exporterlösen, er bekommt Land, Wasser und billige Arbeitskräfte. Ab 2013 rechnet er mit einem jährlichen Gewinn von 100 Millionen Dollar.

In Bako, 220 Kilometer westlich der Hauptstadt, hat er vor zwei Jahren mit einer 10.000-Hektar-Farm begonnen und erzeugt derzeit Saatgut für Reis und Mais. Die Dorfbewohner haben sich große Hoffnungen gemacht: Jobs, Trinkwasser und eine Straße. Doch nach zwei Jahren sind sie nicht mehr gut auf die Inder zu sprechen.

Der Bauer Tigre Mamo klagt: "Wie mein Vater habe ich auf unseren Feldern Getreide angebaut und mein Vieh weiden lassen. Dann kamen die Behörden und sagten, euch gehören nur die Felder mit roter Erde, die schwarze Erde ist Regierungsland und wird jetzt an ausländische Investoren vermietet." Nach und nach musste der Bauer sein Vieh verkaufen, und das wenige Getreide, das er noch erzeugt, reicht kaum für seine Familie. Zum Verkauf bleibt nichts mehr übrig. "Wir können unsere Kinder kaum noch ernähren."

Ohne Rücksicht auf Menschen und Umwelt

Seine Beschwerden bei den lokalen Behörden blieben bisher erfolglos. Auch die versprochenen Jobs erwiesen sich als Enttäuschung: "Wenn man von früh bis spät unter der sengenden Sonne schuftet, verdient man gerade 10 Birr (45 Cent), wovon noch 2 Birr Steuern abgezogen werden. Das ist unerträglich. Wenn man etwas dagegen sagt, lautet die Antwort: 'Wenn es Dir nicht passt, kannst Du gehen!'"

500 Kilometer westlich, nahe der sudanesischen Grenze, liegt eine weitere Farm des indischen Investors. In der ersten Phase will er hier im Tiefland auf 100.000 Hektar Ölpalmen, Reis und Zuckerrohr anbauen. Auf einer Strecke von 80 Kilometer, links und rechts einer Schotterpiste, liegen die künftigen Felder.

Dank der Flüsse Baro und Alwero könne man die Plantagen hier ganzjährig bewässern, schwärmt der Farmmanager. Doch wie sich das Abholzen der Wälder und die Bewässerung auf den Wasserstand und die Fische im Fluss auswirken werden, weiß niemand. Es gab keinerlei Umweltverträglichkeitsstudie. Und so hat auch niemand bemerkt, dass genau die Gebiete an die indischen Investoren vergeben wurden, in welchen seltene Storch- und Antilopenarten leben. Deutsche Experten, die die äthiopische Naturpark-Verwaltung beraten, schlagen nun Alarm. Rund 800.000 Sumpf-Antilopen werden ihren Lebensraum verlieren. Eine Win-win-Situation?

Dorfbewohner vertrieben

Noch schlimmer ist das "land grabbing" in Kambodscha. Hier werden nicht Antilopen, sondern Menschen aus ihrem Lebensraum vertrieben, um den ausländischen Investoren Platz zu machen. Unter Missachtung der Landgesetze hat sich im Süden des Landes der Politiker Ly Yong Path gemeinsam mit thailändischen Investoren 20.000 Hektar Ackerland gewaltsam angeeignet.

Als die Polizei Dorfbewohnerinnen und -bewohner von ihren Feldern vertrieb, wurden zwei Menschen erschossen, mehrere verletzt. Teng Kav, eine Dorfbewohnerin, hatte auf ihrem Land Hunderte von Mango- und Cashew-Bäumen gepflanzt. "Sie haben alles mit der Planierraupe zerstört. Meine Hütte haben sie angezündet und meine Wasserbüffel erschossen." Hunderte Familien hoffen bisher vergeblich auf Gerechtigkeit und angemessene Entschädigungen.

Mit europäischer Unterstützung hat Kambodscha zwar sehr fortschrittliche Landgesetze erlassen, doch niemand hält sich daran. Kambodscha zählt zu den korruptesten Ländern der Welt. Ly Yong Path profitiert von der Nachgiebigkeit der Europäer. Er hat mittlerweile die erste Lieferung Zucker von seiner Plantage nach Großbritannien verkauft. Die EU gewährt Kambodscha besondere Handelsprivilegien.

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