Stammesführer gewinnen an Einfluss

Gaddafi verliert auch im Westen

Tripolis werde zur Festung ausgebaut, berichtet der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Libyen, David Bachmann, nach seiner Rückkehr nach Österreich. Machthaber Gaddafi werde noch vom Militär unterstützt, doch auch der Westen Libyens gerate zunehmend unter den Einfluss der diversen Stammesführer, so Bachmann. Wirtschaftliche Nachteile für Österreich erwartet er nur im Fall eines Bürgerkriegs.

"Showdown, wenn Armee nicht überläuft"

Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Libyen, David Bachmann, im Ö1 Mittagsjournal-Gespräch am 28.02.2011 mit Andrea Maiwald

Scheinbare Normalisierung

Wenn man in Tripolis ist, könnte man glauben, dass das Leben wieder normal wird, sagt Bachmann. Doch sein Eindruck sei es, dass die Leute extrem angespannt seien, sagt Bachmann. Das übliche "Schmähführen" mit den Libyern sei nicht mehr möglich gewesen. Die Lage habe sich insofern ein wenig normalisiert, als sich die Leute wieder aus ihren Deckungen heraus trauen. Geschäfte hätten teilweise geöffnet. Bewegt man sich aber aus Tripolis hinaus, habe man den Eindruck, dass die Stadt zur Festung ausgebaut werde. Man igele sich mit Panzern und Fliegerabwehr ein.

Gaddafi verliert auch im Westen

In den nächsten Tagen werde entscheidend sein, wer überhaupt noch hinter Gaddafi steht. Zurzeit ist es als wichtiger Faktor die von seinem Sohn geführte 32. Brigade, die sehr gut ausgebildet und schwerst bewaffnet sei. Sollte diese Armee überlaufen, könne das Ganze sehr schnell über die Bühne gehen. Wenn nicht, dann werde es zum "Showdown" kommen. Gaddafi verliere jedenfalls zunehmend den Rückhalt der Stammesführer, im Osten ohnehin, und nun auch im Westen. Die Berber-dominierte Stadt Soara sei mittlerweile komplett in der Hand der Berberstämme.

Stammesstrukturen dominieren

Die Ausgangslage für eine Zukunftslösung in Libyen ist allerdings schwierig. Auf Libyen komme ein großes Machtvakuum zu, sagt der Wirtschaftsdelegierte. Es gebe nicht wie in anderen Länder, etwa Ägypten oder Tunesien, große Persönlichkeiten, die einen Rückhalt in der Bevölkerung hätten. Neben Gaddafi gebe es lediglich ein paar größere Familien. Und das seien auch genau jene, die im Osten die Führung übernommen hätten. Diese Stämme seien nie hundertprozentig hinter Gaddafi gestanden, aber sie hätten sich arrangiert und Geld bekommen. Nun würden sie ihre Chance gekommen sehen. Gaddafi habe immer versucht, das Land zu einigen, wenn auch mit Druck und Unterdrückung. Nun müsse sich zeigen, wie diese starke Stammesstruktur zu einem gemeinsamen Nenner finden könne.

"Österreich wird weiter als Partner geschätzt"

Handelsdelegierter David Bachmann im Ö1-Mittagsjournal, 20.02.2011

Begrenzte Wirtschaftsfolgen

Die wirtschaftliche Bedeutung des Umsturzes in Libyen für Österreich ist nach Ansicht Bachmanns begrenzt. Nur 0,11 Prozent der österreichischen Exporte gingen nach Libyen, nur 0,6 Prozent der Importe kämen von dort. Es sei ein "interessanter Nischenmarkt mit hohen Renditen". Der Wirtschaftsdelegierte weist auch Aussagen zurück, österreichische Firmen hätten Geschäfte mit Gaddafi gemacht. Das passiere alles auf Fachebene, so Bachmann. Und Österreich werde auf dieser Ebene als Partner und Freund geschätzt. Und so könne man auf jeden Fall auch mit einer neuen Regierung weiterarbeiten, ist der Delegierte zuversichtlich. Nachteile erwartet er nur, wenn Libyen in Chaos und Bürgerkrieg versinkt.