Aufruf zum transnationalen MigrantInnenstreik
Ein Tag ohne die Arbeit von MigrantInnen
Viele MigrantInnen legen am Dienstag ihre Arbeit nieder und halten Betriebsversammlungen ab, um zu zeigen, dass die österreichische Wirtschaft ohne ihre Leistung schlecht dastehen würde. Flächendeckend findet dieser Streik zwar nicht statt, ein Cafe in Wien, das von MigrantInnen geführt wird, nimmt den Aufruf aber sehr ernst.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 01.03.2011
Eine Reportage von Barbara Gansfuß
Gegen Diskriminierung und schlechte Bezahlung
Schon auf dem Weg zum Café Boem in der Koppstraße in Wien wird klar: Zu allen ist der für Dienstag ausgerufene MigrantInnenstreik nicht durchgedrungen. Zeitungskolporteure und Taxifahrer befinden sich wie immer auf den Straßen. Im Café aber nimmt man die Sache ernst, sagt einer der drei Betreiber Alexander Nikolic. Und dann erklären die Gastgeber, dass sie sich wehren gegen tägliche Anfeindungen, schlechte Bezahlung und Diskriminierung im Bildungs- und Sozialsystem: "Es ist unglaublich, wie weit verbreitet und wie gesellschaftsfähig Rassismus heutzutage geworden ist. Zum Beispiel, wenn es in den Siebzigerjahren diese Einwanderungsgesetze gegeben hätte, die es heute gibt, wär ich nie da. Da hätte ich keine Chance auf ein halbwegs anständiges Leben in Österreich."
Nachname erschwert Wohnungssuche
Viele Jugendliche zweiter oder dritter Generation fühlen sich noch immer als Menschen zweiter Klasse. Dem Geschäftsführer des Boem, Michael Kalivoda, hat allein sein Nachname eine lange Wohnungssuche beschert. "Ich bin in Österreich aufgewachsen, habe auch keine zweisprachige Erziehung gehabt oder irgendwas, aber ich habe auch schon oft die Erfahrung gemacht, zum Beispiel bei der Wohnungssuche, dass hier schon ein Unterschied gemacht wird, ob ich meinen Nachnamen sage oder jemand anderer."
Falscher Eindruck
Im Ausland Geborene machen sich öfter selbstständig als Österreicher, sie sind kürzer arbeitslos. Und sie zahlen mehr Sozialversicherungsbeiträge als für sie ausgegeben wird. Das bestätigen Wirtschaftsforschungsinstitut und Wirtschaftskammer seit Jahren. Dass diese Fakten bei der Bevölkerung noch nicht angekommen sind, sei kein Wunder, sagt Boem-Betreiber Martin Hollerweger: "Weil einfach in den Medien und in der Politik anderes kommuniziert wird. Wenn man vor Wahlen durch die Straßen geht, fallen einem in erster Linie Plakate auf, die etwas anderes behaupten. Und wie soll dann eine breite Öffentlichkeit geschaffen werden für Gegenstimmen."
Ungenütztes Potenzial
Viele gründen auch deshalb Unternehmen, weil sie auf dem Arbeitsmarkt schlechte Chancen haben, auch das bestätigt die Wirtschaftskammer. Dabei müsste man nur nach Skandinavien schauen, sagt Alexander Nikolic. "Es kommt nicht dazu, dass Zahnärzte als Bauarbeiter arbeiten müssen. Also ich frage mich, wie sie es sich leisten können, auf so viel Potenzial zu verzichten.
Am Dienstag rufen MigrantInnenorganisationen weltweit zu Protesten auf. Es sind auch Schaltungen nach Italien und Frankreich geplant.