Experte warnt vor Chaos wie in Somalia
EU will Bürgerkrieg in Libyen stoppen
Die EU-Staats- und -Regierungschefs überlegen, welche Möglichkeiten Europa hat, um den Bürgerkrieg und das Gaddafi-Regime möglichst rasch zu beenden. Man befürchtet Zustände wie in Somalia. Die EU muss ihre Mittelmeer-Politik völlig neu gestalten.
27. April 2017, 15:40
Morgenjournal, 02.03.2011
Situation wie in Somalia
Je länger der Bürgerkrieg dauert, desto größer wird die Gefahr eines Zerfalls aller staatlichen Strukturen mit unabsehbaren Folgen für das südliche Mittelmeer, warnt der Brüsseler Sicherheitsexperte Claude Moniquet. "Es könnte in Libyen zu einem Chaos wie in Somalia kommen, ohne Zentralmacht, mit Stämmen, die um die Öleinnahmen kämpfen. Mit rechtlosen Zonen, in denen terroristische Gruppen Fuß fassen, ganz so, wie das in Somalia oder Afghanistan passiert ist", erklärt Moniquet.
Flugverbotszone über Libyen
Damit es nicht soweit kommt, überlegt man in Washington und in Europa laut, welche militärischen Mittel möglicherweise eingesetzt werden könnten. Niemand denkt daran, mit Soldaten am Boden direkt einzugreifen. Aber eine Flugverbotszone, wie sie die USA in der Saddam Hussein-Zeit mit UNO-Unterstützung über große Teile des Iraks verhängt hatten, hat viele Anhänger in Brüssel, bestätigt der Europaabgeordnete Reinhard Bütikhofer von den deutschen Grünen. "Man darf nicht zulassen, dass der Diktator jetzt weiterhin Söldner einfliegt, um das Massaker an seinem eigenen Volk zu verlängern. Und man darf auch nicht zulassen, dass er seine Luftwaffe benutzt, um auf die Zivilbevölkerung zu schießen", so Bütikhofer. Russland, eine wichtige Stimme im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, hat sich bisher allerdings negativ zu einer Flugverbotszone geäußert.
Mehr Geld für Mittelmeer-Politik
Mittelfristig ist klar, dass die europäische Partnerschaft mit den nordafrikanischen Ländern völlig neu gestaltet werden muss. Schon heute werden im EU-Budget rund 12 Milliarden Euro für die Mittelmeer-Politik zur Verfügung gestellt. Diese Summe müsse man vielleicht aufstocken, sagt der deutsche CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. "Sowohl zur Förderung des demokratischen Prozesses als auch zu wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen, dass es einer demokratischen Regierung relativ schnell gelingen könnte, der eigenen Bevölkerung deutlich zu machen, dass es sich lohnt, in einer freiheitlichen Gesellschaft zu leben", meint Brok.
Bei ihrem Sondergipfel Ende nächster Woche wollen die Europäer nach einer strategische Antwort auf die völlig neue Situation in der südlichen Nachbarschaft suchen.
Ausschluss aus Menschenrechtsrat
Am Dienstag hat die UN-Vollversammlung Libyen wegen der Gräueltaten des Regimes gegen die Demonstranten offiziell aus dem Menschenrechtsrat in Genf ausgeschlossen.
Morgenjournal, 02.03.2011
Gewalt geleugnet
Gaddafis Sohn Saif al Islam hat erneut bestritten, dass die Sicherheitskräfte des Regimes Gewalt gegen die Demonstranten anwendet. Dafür gebe es keine Beweise, sagte er am Dienstag dem britischen Fernsehsender Sky News. Seit Beginn der Proteste sollen aber bereits hunderte Menschen getötet worden sein.
Ausländischer Militäreinsatz?
Während viele der Oppositionellen nichts davon halten, das Ausland um Hilfe zu bitten, bringt nun, wie die New York Times berichtet, der Sprecher des Revolutionsrates in Bengasi genau diese Option ins Spiel: Luftangriffe auf wichtige Militäreinrichtungen Gaddafis solle der Westen fliegen, so der Vorschlag. Doch die USA und Europa wollen nicht in ein Militärabenteuer wie im Irak oder Afghanistan hineinschlittern. Sie zeigen sich noch zurückhaltend, was den Einsatz von militärischen Mitteln betrifft. Vor allem, weil die UNO-Resolution zu Libyen den Einsatz von Waffengewalt nicht erlaubt. Auch die Nato ist nicht einig über einen Militäreinsatz. Mit baldiger Hilfe aus dem Ausland kann die libysche Opposition also wohl nicht rechnen.
Unterdessen hat Libyens UN-Gesandter angekündigt, dass bald eine Übergangsregierung aus Oppositionellen antreten werde – auch, wenn Gaddafi weiterhin in der Hauptstadt Tripolis bleibe.