Nach Guttenberg-Affäre
Grassers Diplomarbeit am Prüfstand
Hat auch Karl-Heinz Grasser seine Abschlussarbeit abgeschrieben? Hat also auch Österreich seinen großen Plagiatsfall? Diese Frage stellt sich, seit heute morgen der "Kurier" einige Textstellen eines Wissenschafters veröffentlicht hat, die Grasser in seiner Diplomarbeit unzitiert übernommen haben soll. Ob daraus ein Fall Guttenberg wird, ist aber fraglich, sagen Experten.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 03.03.2011
Weber: "Plagiat beim ersten unzitierten Satz"
Hat er oder hat er nicht? Der "Kurier" zitiert drei Sätze aus Karl-Heinz Grassers Diplomarbeit in Betriebswirtschaftslehre aus dem Jahr 1991, die er aus einem Werk des Juristen Peter Dorscheid übernommen haben soll, ohne die Quelle korrekt zitiert zu haben. Plagiat, das beginnt an sich schon beim ersten unzitiert übernommenen Satz, sagt der Kommunikationswissenschafter Stefan Weber, der sich mit dem Aufspüren von abgeschriebenen Dissertationen und Diplomarbeiten beschäftigt.
Weber: Plagiierte Sätze
Auch Grassers Arbeit hat er sich 2006 angesehen. Sein Fazit: "Ich würde nicht sagen, Grassers Diplomarbeit ist als Plagiat in toto nachgewiesen. Ich würde aber sehr wohl sagen, Grassers Diplomarbeit enthält plagiierte Sätze, auch kürzere Absätze. Einige habe ich selbst gefunden, einer ist jetzt in einer Tageszeitung aufgetaucht, sodass diese Passagen möglicherweise darauf hinweisen, dass hier auch methodisch abgeschrieben wurde." Bei Guttenbergs Arbeit konnte man die Passagen googlen, bei Grasser müsse man die ganze Literatur durchforsten, so Weber.
Weber: Mühsame Recherchen
Weber hat seinerzeit in Grassers Arbeit 12 abgekupferte Sätze gefunden. Für den großen Plagiatsbeweis reicht das noch nicht, aber wo Rauch ist könnte auch Feuer sein. Mühsame Recherchen stünden bevor, so Weber. Wie kompliziert das ist, zumal die Diplomarbeit über "Die Klein AG der Schweiz" im Vor-Internet-Zeitalter entstanden ist, und dass man mit Google und ähnlichen Suchmaschinen nicht weiterkommt, illustriert Plagiatsjäger Weber an einem Beispiel. So habe Grasser in einem Satz das Wort "äußerst" durch das Wort "relativ" ersetzt, habe aber nicht gekennzeichnet, dass er den Satz insgesamt übernommen habe, sagt Weber. "Durch die Änderung dieses einen Wortes ist klar, dieser Satz ist ein Plagiat." Das habe Guttenberg auch so gemacht, so Weber.
Diplombetreuer: Ordentliche Arbeit
Grassers Diplombetreuer, der mittwerweile emeritierte Wirtschaftsprofessor Herbert Kofler, hat damals jedenfalls nichts bemerkt: "Das war eine ganz ordentliche Arbeit, wie überhaupt der Grasser ein ganz exzellenter Student war. Die Referate, die er gehalten hat, waren nicht nur eloquent sondern auch inhaltlich ausgezeichnet in jeder Beziehung."
Grasser: Keine Stellungnahme
Karl-Heinz Grassers fernmündlicher Kommentar: Aufgrund der Lächerlichkeit der Geschichte mäöchte er keine Stellungnahme abgeben. Davon unabhängig hat gestern Wissenschaftministerin Beatrix Karl angekündigt, die Vorbeugung und Bestrafung von Pagiaten prüfen und neu ordnen zu wollen.