Über die weibliche Seite des Musizierens

Mädchen pfeifen nicht

Die Vorurteile gegenüber musizierenden Frauen sind heute so stereotyp wie eh und je. Wenn frau musiziert, dann als Vokalistin. Gitarre, Schlagzeug oder Kontrabass - das bleibt den Männern vorbehalten. Noch immer ist das Outfit wichtiger als das Können.

Nach ihrem Gig hört Corrie Harrigan häufig, dass sie eine "wirklich gute Drummerin" sei. Corrie Harrigan: "Wenn Mädchen auf die Bühne gehen und spielen können, dann ist das immer super überraschend." Die Gitarristin Angie Lynch ergänzt: "Die Leute tun so, als hätten sie gerade einen Fisch auf einem Fahrrad gesehen, wenn sie sehen, dass ich wirklich ziemlich gut Gitarre spiele."

Die Internetplattform Melodiva hat Auszüge der US-amerikanischen Umfrage "Beeing a woman musician today" veröffentlicht. 700 Musikerinnen berichten davon, was es heißt, heute als Frau im Musikgeschäft zu bestehen. Das Fazit: Die Vorurteile gegenüber musizierenden Frauen sind heute so stereotyp wie eh und je. Wenn frau musiziert, dann als Vokalistin. Gitarre, Schlagzeug oder Kontrabass - das bleibt den Männern vorbehalten. Noch immer ist das Outfit wichtiger als das Können. In gemischten Formationen gelten Musikerinnen als "chick in the band". Die Sängerin Deborah Karpel resümiert: "Das Publikum will Schönheit oder Anmut oder einen Grund, warum du das alles nicht bist."

Instrumente den Geschlechtern zugeordnet

Dieser Trend hat Geschichte. In dem 2010 erschienenen "Lexikon Musik und Gender" widmen sich die Herausgeberinnen Melanie Unseld und Anette Kreutziger-Herr dem Geschlechterverhältnis im Kontext der Musik. Denn Instrumente wurden über Jahrhunderte den Geschlechtern zugeordnet. Flöten und Tasteninstrumente galten als weiblich. Die Harfe durfte von Frauenhänden gezupft werden. Um ein Cello oder den Bass zu spielen, musste frau jedoch die Beine spreizen, das galt als unschicklich. Auch die Geige war für Jahrhunderte tabu. Erst im 20. Jahrhundert eroberten sich Frauen Schritt um Schritt das gesamte Instrumentarium.

Es gab auch früher musizierende und komponierende Frauen. Sie arbeiteten jedoch im Schatten ihrer Brüder, Ehemänner oder Väter. Fanny Mendelssohn oder Nannerl Mozart sind berühmte Beispiele. Mit dem Vorurteil, dass Frauen nicht kreativ sein können, räumten die Wissenschaftlerinnen in den vergangenen Jahrzehnten auf. "Femina componens" lautete der Titel eines Artikels, den die Musiksoziologin Elena Ostleitner 1975 in der "Neuen Zürcher Zeitung" veröffentlichte. Als eine der ersten Wissenschaftlerinnen stellte sie damit die Frage nach der Rolle der Frauen im Musikleben. Sie verschrieb sich damit ihrem Lebenswerk: der männlich konnotierten Musikgeschichte die weibliche Seite hinzuzufügen.

Vergessene Musikerinnen

Denn es gibt sie, die Komponistinnen, Virtuosinnen und Pädagoginnen. Ihre Werke liegen in den Musikarchiven verstreut. Unzählige Zeitungsnotizen, Rezensionen, Programmzettel und Ankündigungen dokumentieren ihr Schaffen. Josepha von Auernhammer, Fanny Hensel, Pauline Viardot, Luise Adolpha Le Beau, Johanna Kinkel, Dora Pejacevic oder Mary Dickenson-Auner: In den besten Konzertsälen Europas präsentierten sie ihre Kompositionen - und wurden wieder vergessen.

Wissenschaftlerinnen wie Elena Ostleitner oder Melanie Unseld recherchierten diese Künstlerinnenbiografien. Sie publizierten das Notenmaterial und brachten die Werke zur Aufführung. Das ist erst ein Anfang. Vieles liegt immer noch in den Archiven verborgen und wartet darauf, entdeckt zu werden. Die Biografien von Musikerinnen der vergangenen drei Jahrhunderte erzählen von den Widerständen, die Frauen in den Weg gelegt wurden, wenn sie musizierten. Sie erzählen auch von der Entschlossenheit der Musikerinnen, ihre Visionen weiter zu verfolgen. Damit werden sie zum Vorbild für Musikerinnen des 21. Jahrhunderts - und geben ihnen ihre musikalische Geschichte.

Service

Melodiva - Hey Ladies - Being A Woman Musician Today