Reding für "einschneidende Maßnahmen"
EU will Frauenquoten erzwingen
Geht es nach EU-Kommissarin Viviane Reding, haben die Unternehmen noch zwölf Monate Zeit, um mehr Frauen einzustellen. Ab dann sollen verpflichtende Quoten für Führungspositionen wirksam werden. Von freiwilligen Maßnahmen, wie sie in Österreich geplant sind, hält sie wenig. Jetzt müssten messbare Schritte gesetzt werden.
25. April 2017, 13:52
"Freiwilligkeit muss gemessen werden"
ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch im Mittagsjournal-Gespräch am 08.03.2011 mit EU-Kommissarin Viviane Reding
Freiwillige Quoten wirkungslos
In Europa habe man sehen können, dass mit der Freiwilligkeit nur geringer Fortschritt Richtung Gleichberechtigung erreicht worden sei, sagt Reding im Ö1-Interview. "Freiwilligkeit muss gemessen werden." Die Gleichstellungskommissarin hat sich bereits mit den CEOs von großen, börsennotierten Unternehmen zusammengesetzt und mit ihnen über die Quoten gesprochen. Sie sollten mehr Frauen beschäftigen, auch in höchster Führungsposition. Reding meint, diese Unternehmen müssten doch verstehen, dass mehr Frauen auch einen größeren Gewinn erwirtschaften würden. Und das sei immerhin im ureigensten Interesse der Unternehmen. Wenn sie bis zum 8.März nächsten Jahres messbar etwas in diese Richtung unternehmen würden, dann bräuchte man keine Quoten. Wenn nichts passiert, "dann brauchen wir Quoten ab 2012". Das heißt, die Unternehmen haben jetzt noch zwölf Monate, um ihre Frauenquoten aufzubessern.
Stärkung der Netzwerke
Mit dem Ruf nach Quoten geht auch das Schließen der Gehaltsschere einher. Das macht Reding zur Frage der Sozialpartner. Sie müssten hier einen wichtigen Beitrag leisten, sowohl durch ihre Lohnverhandlungen, aber auch dadurch, Frauen in höhere Positionen zu bringen. Auf diesem Weg werde die Gehaltsschere ebenfalls kleiner. Außerdem stuft die Kommissarin Frauennetzwerke als "unheimlich wichtig" ein. "Es geht ja über die Männernetzwerke, dass Männer auch in Top-Positionen eingestellt werden und Frauen überhaupt nicht berücksichtigt werden, auch wenn sie genauso gut oder vielleicht noch besser sind", sagt Reding.
Gutes neues Gesetz
Erfreut ist die EU-Kommissarin über das neue Gleichberechtigungsgesetz in Österreich. Größere Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern müssen als Transparenz-Maßnahme jährlich einen Einkommensbericht abliefern. Dies sei gut, damit man einmal versteht, "wo kommen diese Unterschiede her und warum ist das so." Sie nimmt außerdem die Gewerkschaften verstärkt in die Plicht. Sie sollten sich bei diesem Thema endlich stark machen.
Nicht warten bis zum 150. Frauentag
Weil nach 100 Jahren Frauentag das Problem immer noch nicht gelöst ist, brauche es jetzt einschneidende Maßnahmen. Sie würde nicht gerne 150 Jahre Frauentag feiern, weil das hieße, dass man sich immer noch mit denselben Problemen herumschlagen muss. "Deshalb gilt es jetzt anzupacken, um diese Probleme schnellst möglich zu lösen", so Reding.
Koalition gespalten
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) freut sich über den Vorstoß Redings. "Die letzte Chance für die Wirtschaft, bis Ende 2012 Quoten zu erfüllen, und wenn das nicht ist, ein Gesetz - da bin ich natürlich dafür." Zurückhaltender ist Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner: Statt eines Wettbewerb in Richtung höherer Quote müsste man die Kultur ändern, so Mitterlehner: "Und Reding wird das auch auf Brüsseler Ebene nicht so leicht durchbringen." Außerdem ist er gegen Sanktionen: "Man kann Quoten nicht herbeistrafen."
Mittagsjournal, 08.03.2011
ÖVP: Nur freiwillig
Von Frauen der ÖVP-Seite kommt große Skepsis: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kann sich bestenfalls eine freiwillige Quote vorstellen, aber "von Zwang halte ich in diesem Zusammenhang gar nichts." Familienstaatssekretärin Verena Remler (ÖVP) will nur eine freiwillige Selbstverpflichtung des Bundes in staatsnahen Betrieben. "Wobei die Quote nur ein kleiner Baustein im gesamten Mosaik ist."
"Wir werden Quoten brauchen"
Ganz anders die SPÖ-Seite in der Regierung. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ): "Es ist leider so, dass wir Quoten brauchen werden, weil sich hier, was die Kommissarin sagt, wahrscheinlich auswirkt." - Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ): "Ich unterstütze Kommissarin Reding." Doch der öffentliche Dienst dürfe kein "Biotop für Frauen" sein, sondern das müsse auch für die (Privat-)Wirtschaft gelten.
Faymann vs. Pröll
Die Koalitionschefs zu den Frauenquoten: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) verweist darauf, dass "Länder, in denen es Quoten gibt, mehr erreichen als Länder, die Quotendebatten vermeiden". Und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) meint, man sollte nicht "von einer verpflichtenden Quotierung ausgehen, sondern diese Chance eröffnen." Wenn die Vorgaben dramatisch verfehlt würden, dann würden sich "andere Fragen stellen".