Serie "Theater im Abseits"

Das KosmosTheater

"Mehr Frauen ins Theater" titel die Zeitschrift "Theaterheute" in ihrer aktuellen Ausgabe. Eine interessante Geschichte widmet sich der Geschlechter-Gerechtigkeit auf, hinter und über der Bühne. Und es wird der Frage nachgegangen, warum im Theater der Gleichstand von Männern und Frauen in den Leitungsfunktionen noch immer nicht erreicht ist.

Ein Theater, in dem die Gerechtigkeit sicherlich funktioniert, ist das KosmosTheater in Wien, das vor elf Jahren als KosmosFrauenraum gegründet wurde.

Kulturjournal, 08.03.2011

"Ich frage mich, wie es möglich ist, dass Personen immer noch für ihre Anliegen auf die Straße gehen müssen, demonstrieren müssen, Druck machen müssen, nur aufgrund ihres Seins, aufgrund der biologischen Tatsache, dass sie Frauen sind." Das sagte Elfriede Jelinek anlässlich der Eröffnung des KosmosFrauenraums vor elf Jahren.

Seit damals habe sich nicht viel verändert, meint Barbara Klein, die Leiterin des KosmosTheaters. Noch immer seien Frauen in Leitungsfunktionen am Theater in der Minderheit, Österreich nach wie vor ein wertkonservatives Kulturland: "Die Darstellung von Frauen als Opfer und Wahnsinnige - sprich: Gretchen und Ophelia - geht durch alle Bereiche. Da gibt's sehr wenige heutige Vorbilder und zeitgenössische Kunst, die das aufbrechen könnte. Die werden viel zu wenig gefördert."

Armut ist weiblich

Je weniger Geld vorhanden ist, desto eher wird man Frauen dort antreffen, meint Klein. Aber leidet nicht die gesamte freie Szene unter prekären Verhältnissen, sind nicht Männer und Frauen im freischaffenden Kunstbetrieb gleichermaßen betroffen?

"Jein", meint Klein. "Die Armut ist auch in der Kunst weiblich, weil auch in vielen Klein- und Mittelbühnen ganz wenige unter weiblicher Leitung sind und naturgemäß werden keine Stücke angesetzt, die so etwas wie die Möglichkeit eines weiblichen Blicks, einer weiblichen Sichtweise bieten. Mir geht es vor allem um das Publikum, das vorwiegend weiblich ist." Dieses sehe "vorwiegend männliche Sichtweisen".

Frauen brauchen Raum

Die Männer machen, die Frauen schauen zu. Um dem entgegenzuwirken, hat die Bürgerinitiative LINK Frauen im Jahr 2000 einen Kulturraum für Frauen gesucht. Und ist dafür buchstäblich auf die Barrikaden gestiegen. Das ehemalige Pornokino in der Wiener Riemergasse, das seit acht Jahren leer stand, wurde zehn Tage lang besetzt.

"Wir haben zehn Tage rund um die Uhr Kunst betrieben", erinnert sich Klein. "Es war eiskalt - Josef Hader hat eine Heizkanone besorgt und wer ist aufgetreten bis ein Uhr nachts? Marlene Streeruwitz und Elfriede Hammerl, Robert Menasse... - wie ein Lauffeuer ging das herum, das soll ein weiblicher Spielraum werden."

Frauen brauchen Raum - und sie haben ihn schließlich auch bekommen. Nicht das ehemalige Pornokino ist es geworden, sondern das ehemalige Kinder- und Jugendkino Kosmos in der Siebensterngasse im 7. Bezirk, durch Spittelberg und das nahe MuseumsQuartier ein gutes kulturelles Umfeld. 850 Quadratmeter stehen auf zwei Ebenen zur Verfügung, eine multifunktionale Bühne mit Platz für rund 80 Zuschauer, ein Tagungsraum, eine Bar, ein Café, Garderoben und Nebenräume sind großzügig angelegt.

"Es steht heute noch so wie damals, man muss kaum renovieren", sagt Klein. "Es ist von so einer nachhaltigen Architektur. Es ist ein wunderschöner Raum. Ich glaube, ihn mögen alle, die dort hingehen."

Weibliche Blickwinkel

Männer sind herzlich willkommen im KosmosTheater - und sie kommen auch: Die Publikumsstruktur ist ähnlich wie in anderen Häusern auch, 60 Prozent Frauen, 40 Prozent Männer.

Männer stehen auch als Künstler auf der Bühne, allerdings nicht dahinter, denn die Technik wird von Frauen geleitet und in jeder Eigen- oder Koproduktion muss zumindest eine Künstlerin eine leitende Funktion, sei es als Regisseurin oder Choreografin, haben. "Wir wollen nicht denselben Fehler wiederholen, ein Geschlecht auszuschließen", sagt Klein, "sondern es geht mir um weibliche Sichtweisen, um den anderen Blickwinkel, um die anderen Erfahrungen, um andere Geschichten, die Künstlerinnen einbringen."

Den Spielplan prägt zeitgenössisches Theater, Performances, Tanz, Musik, aber auch Comedy, Kabarett und Clownerie werden präsentiert, oft im Rahmen von internationalen Gastspielen oder Festivals.

Stücke junger Autorinnen werden zum Teil in Improvisationen entwickelt, man befasst sich mit Frauengestalten aus Gegenwart und Geschichte, wie etwa im Vorjahr mit Viktoria Woodhall, der ersten amerikanischen Präsidentschaftskandidatin. Ab 8. März 2011 setzen die New Yorker Ladies of Hip Hop dem Gangsterrap und den frauenverachtenden Rollenklischees im Hip Hop ihre Sicht entgegen.

Angepasste Kartenpreise

Eine Zeitlang hat man versucht, die Kartenpreise der Einkommenssituation von Frauen und Männern anzupassen, das heißt Frauen haben um ein Drittel weniger gezahlt.

"Das hat funktioniert auf eine wunderbare und witzige Weise", meint Klein. "Dann haben zwei Medien geschlagzeilt 'Männer zahlen mehr', was definitiv nicht der Wahrheit entsprochen hat, sondern wir haben als Theater Einbußen gehabt. Ab dem Moment war der Witz raus und auch Frauen haben sich dann aufgeregt, was wir überhaupt nicht verstanden haben. Da wurde es unlustig und wir verzichteten darauf."

Keine Sicherheit

"Kosmos vor dem Aus", "KosmosFrauenraum schließt", "Muss Kosmos einem Supermarkt weichen?" lauteten in den letzten elf Jahren immer wieder Schlagzeilen. Ein halbes Jahr lang musste man tatsächlich zusperren.

"Immer wieder hat man uns spürbar gezeigt, wir sind nur geduldet, wir dürfen nicht zu laut werden, nicht zu auffällig", so Klein. "Immer wieder haben wir Subventionen nur für ein halbes Jahr bekommen. Das ist schon etwas, womit viele Frauen heute leben müssen, mit diesem Gefühl, alles, was wir erreicht haben, kann jederzeit wieder verschwinden, ob es jetzt um die automatische Obsorge geht oder um die Gratiskindergärten. In ganz vielen Bereichen wird uns das gezeigt, es ist nicht sicher."

"Einzigartig in Europa"

Jetzt endlich hat man eine gewisse Plattform erreicht. Bis 2013 sichert eine Vier-Jahres-Konzeptförderung den Fortbestand, das sind rund 585.000 Euro jährlich von der Stadt Wien, und auch der Bund schließt 120.000 Euro zu.

"Ich glaube, dass unsere Arbeit mittlerweile geschätzt wird, weil sie ja auch der Stadt zugutekommt", meint Klein. "Es gibt sogar eine ganze Menge Menschen, die extra wegen dem KosmosTheater nach Wien fahren. Es ist einzigartig in Europa, in dieser Größenordnung gibt es keinen anderen Künstlerinnen gewidmeten Kulturraum. In jeder Großstadt müsste es ein KosmosTheater geben! Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein."

Noch wären mehrere Häuser wie das KosmosTheater vonnöten, um den Frauen jenen Platz zur Verfügung zu stellen, um den sie nach wie vor kämpfen müssen, aber eigentlich wünscht sich Barbara Klein, dass es solche speziellen Förderstellen gar nicht mehr geben müsste, weil Künstlerinnen überall im Kunstbereich gleichermaßen integriert wären.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im KosmosTheater die Eintrittskarten ermäßigt (zehn Prozent).

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