Strahlenmediziner liefert Antworten
Wie gefährlich ist radioaktive Strahlung?
Die erlaubten Grenzwerte für radioaktive Strahlung im beschädigten Atomkraftwerk Fukushima sind nach Angaben der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo Montagfrüh Ortszeit erneut überschritten worden. Die Strahlung liege bei einem Wert von 751 Mikrosievert pro Stunde, erklärte eine Firmensprecherin. Doch wie gefährlich ist radioaktive Strahlung grundsätzlich?
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 14.03.2011
Mischung verschiedener radioaktiver Stoffe
Cäsium 137 und Jod 131 - das sind einige jener radioaktiven Stoffe, die bei Atomunfällen gefährlich werden können. Dazu kommen radioaktives Strontium und Plutonium, schildert Franz Kainberger, Präsident des Verbandes für medizinischen Strahlenschutz und Professor an der Medizinischen Universität Wien: "Es handelt sich hier um eine Mischung von radioaktiver Kräfte die ausgetreten sind, die in ihrer Gesamtheit sehr aggressive Auswirkungen auf den Menschen haben."
Schilddrüse besonders betroffen
Radioaktive Strahlung kann Körperzellen zerstören - abhängig von der Art der Strahlen, sowie von Dosis und Dauer, der man den radioaktiven Stoffen ausgesetzt ist. Die empfindlichsten Gewebetypen sind Blut, Verdauungssystem, Haut, Bindegewebe und Schilddrüse, so der Strahlenmediziner Franz Kainberger. Kurz gefasst: Jod 131 kann Schilddrüsen-Krebs verursachen; Cäsium ist vor allem für Muskelgewebe und Nieren ein Problem, aber nicht nur: "Cäsium reichert sich aber auch in der Schilddrüse an. Die Schilddrüse gehört zu den strahlensensiblen Organen."
Krankheiten brechen erst Monate später aus
Die gesundheitlichen Auswirkungen infolge Radioaktivität sind schwer absehbar. Besonders Leukämie, Schilddrüsenkrebs, Lungen- und Brustkrebs werden immer wieder als mögliche Spätfolgen genannt. Nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl beispielsweise berichtet die österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin, dass man bei Jugendlichen mehr Fälle von Schilddrüsenkrebs festgestellt habe. Tschernobyl sowie die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki haben laut Kainberger gezeigt: "Bei Kindern treten Tumorerkrankungen Monate bis Jahre nach der Exposition auf. Hier sind es meist Schilddrüsen- und Blutkrebs. Bei Erwachsenen treten sie oft erst Jahre später auf."
Strahlensyndrom
Abgesehen von Langzeitfolgen, wenn Menschen Strahlung ausgesetzt waren, gibt es das sogenannte Strahlensyndrom, auch Strahlen-Krankheit genannt. Eine schwere Erkrankung, die unter Umständen behandelbar ist. Sie trifft vor allem Rettungskräfte, wenn sie nahe und ungeschützt hoher Strahlung ausgesetzt sind. hohe Strahlendosen verursachen Fieber, Übelkeit, Verbrennungen von Haut und Mundraum, Haarausfall, innere Blutungen und schlimmstenfalls den Tod. "Man geht davon aus, dass das ab einer Dosis von 1 Sievert pro einer Stunde auftritt. Realistisch ist, dass solche enormen Strahlungen nur bei einer Explosion auftreten."
Aufnahme auch über Nahrungsmittel
Kainberger weist darauf hin, dass ein Schutzanzug viel der Strahlenwirkung abhalten kann. Die akute hohe Strahlung im Falle einer Explosion sowie die mögliche geringer dosierte Verseuchung im Falle des Austretens von radioaktiver Strahlung sind nur ein Aspekt: Man denke auch an radioaktive Stoffe, die über Wasser, Pflanzen, Fische, Pilze, etc. in die Nahrung gelangen könne. Diese Gefahr schätzt der Strahlenmediziner im aktuellen Fall als gering ein.
Depressionen und Angststörungen als Langzeitfolgen
Und noch ein Aspekt der Gesundheitsschäden infolge eines Atomunfalls: langfristige Herzerkrankungen könnten damit in Zusammenhang stehen und psychische Erkrankungen. Aus Tschernobyl hätten wir eine Lehre gezogen, so der Strahlenmediziner Kainberger: Sorge um Gesundheit, Sorge um Zukunft, Sorge um die Zukunft der Kinder - das seien ebenfalls gesundheitliche Folgen, mit Depressionen, Angststörungen, etc. Und die träfen weitaus mehr Personen, als jene, die eine akute Strahlenerkrankung haben.