"Karte und Gebiet" erscheint
Der neue Houellebecq
"Karte und Gebiet", der neueste Roman des französischen Autors Michel Houellebecq (53), kommt diese Woche in unsere Buchhandlungen. Der in Irland lebende Houellebecq hat es damit im dritten Anlauf geschafft, den begehrtesten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt, zu ergattern.
8. April 2017, 21:58
Über 500.000 Exemplare von "Karte und Gebiet" sind allein in Frankreich verkauft worden. Der Roman wurde von der französischen Kritik fast einhellig gelobt und von vielen als Houellebecqs bester oder größter bezeichnet.
Kultur aktuell, 16.03.2011
Hauptfigur ist zeitgenössischer Künstler
Jed Martin, die Hauptfigur des Romans, ist, wie der Autor selbst, ein Einzelgänger mit nur sporadischen sozialen Kontakten in Paris; ein zeitgenössischer Künstler Mitte 30, der über Nacht Erfolg hat, um dessen Werke man sich reißt, der zuvor u.a. Michelin-Landkarten fotografiert und zu Kunstwerken verarbeitet hat - von daher der Titel des Romans.
Für den Text des Katalogs der Ausstellung, die dem Künstler, der mit einer Russin - einer der fünf schönsten Frauen von Paris - liiert ist, dann den Erfolg beschert, wendet sich Jed Martin an "den berühmten, ja weltweit berühmten Schriftsteller Michel Houellebecq, einer der nicht gut riecht, sich ständig kratzt und aussieht wie eine alte Schildkröte", so der Autor Houellebecq über die Romanfigur Houellebecq, deren Beerdigung im Jahr 2035 er, nach einer grausamen Ermordung am Ende des Romans in Szene setzt.
Masochistische Orgie
"Ich habe mir eine kleine masochistische Orgie genehmigt", so Houellebecq. "Das ist ganz angenehm, sich unter einem abstoßenden, ja erbärmlichen Aspekt zu beschreiben."
"Karte und Gebiet" ist ein Roman aus dem Jetzt, der von einer Welt erzählt, die von Konsum und Markenartikeln beherrscht wird, dem Milieu der Kunst, der Fernseh- und Showstars, von einer Gesellschaft, in der der Individualismus und das große Geld regieren, erzählt in einem zynisch-nihilistischen Grundton, voller Pessimismus und Melancholie und doch nicht ohne Humor.
Selbstporträt des Autors
Man kann Houellebecqs "Karte und Gebiet" schließlich auch wie ein einziges großes Selbstporträt des Autors lesen, dessen Züge sich aus den verschiedensten Figuren des Romans zusammensetzen. Von Skandal diesmal aber keine Spur mehr, der Autor habe sich geläutert, war im letzten französischen Literaturherbst allseits zu hören gewesen.
Houellebecq dazu: "Der Eindruck, dass es in diesem Roman ruhiger zugeht kommt daher, dass z.B. die Riesensummen, die auf dem Kunstmarkt erzielt werden, die französische Gesellschaft weniger schockieren als der Sextourismus. Die Thematik ist weniger heftig und eben eine andere; meine Art zu schreiben aber nicht. Ich hatte es auch nie drauf angelegt, Skandal zu machen, der Skandal liegt nicht in meiner Verantwortung. Man darf beim Schreiben nicht an die Reaktionen des Publikums denken, sonst kommt man überhaupt nie zu Rande."
Vielschichtiger Roman
"Karte und Gebiet" ist ein sehr vielschichtiger Roman, der am Ende auch etwas von einem Krimi hat und in dem, wie der Autor selbst mehrmals betonte, auch eine auf das Minimum beschränkte, eher triste Vater-Sohn-Beziehung eine wichtige Rolle spielt: "Das ist auch ein Grund, dass es keine Polemik gab - Altern und der Tod, was soll es dazu an Polemik geben, das ist traurig, das ist das Leben - und das ist traurig."
Die letzten Neuigkeiten vom Autor: Er hat zwei Chansons aufgenommen und ins Internet gestellt. Eines davon mit dem Titel "Novembre" (November). Traurig, wie gesagt...
Service
Michel Houellebecq, "Karte und Gebiet", aus dem Französischen übersetzt von Uli Wittmann, Dumont Verlag
Michel Houellebecq