Polizei schoss auf Demonstranten

Tote bei Protesten - Eskalation in Syrien

Bei Protesten gegen das Regime gibt es jetzt auch in Syrien Tote. Präsident Baschar Al-Assad lässt auf Demonstranten schießen. Das ist ein entscheidender Schwenk in der Politik von Staatschef Al-Assad, der bisher eher auf Dialog gesetzt hat.

"Die Lage hat sich grundlegend geändert"

Syrien-Korrespondentin Kristin Helberg im Ö1 Mittagsjournal-Gespräch am 23.03.2011 mit Hubert Arnim-Elissen

Auf Gruppe geschossen

Sicherheitskräfte haben in der Stadt Deraa nach jüngsten Berichten syrischer Oppositioneller sechs Demonstranten erschossen. Demnach eröffneten die Sicherheitskräfte das Feuer auf eine Gruppe von rund 300 Menschen, die sich in und um die Omari-Moschee versammelt hatte. Die Regierung stellt das so dar, dass eine bewaffnete Bande einen Krankenwagen angegriffen hätte.

Kein zweiter Tahrir-Platz

Die Moschee in der südlich von Damaskus gelegenen Stadt war bereits in den vergangenen Tagen das Zentrum der Proteste. Syrienkorrespondentin Kristin Helberg sieht als Hintergrund für das blutige Einschreiten der Sicherheitskräfte, dass das Regime verhindern wollte, dass die Moschee zu einem Symbol des Widerstands wird - wie es der Tahrir-Platz in Kairo gewesen ist.

Ende des Versöhnungskurses

Die Demonstranten fordern demokratische Reformen, Wahrung der Menschenrechte und Meinungsfreiheit sowie die Aufhebung der Notstandsgesetze, die in Syrien fast seit 50 Jahren in Kraft sind und für juristische Willkür sorgen. Dass der Präsident selbst abtreten soll, davon war anfangs nicht die Rede. Aber das könnte sich jetzt nach dem harten Vorgehen gegen die Demonstranten ändern. Denn bisher hatte man eher den Dialog gesucht und es sah eher nach Versöhnungskurs aus.

Keine Organisatoren

Die Proteste in Syrien sind bisher recht unorganisiert. Am vergangenen Freitag gab es kleinere Demonstrationen in vielen syrischen Städten. Teilnehmer sind Vertreter der Durchschnittsbevölkerung, einer eher konservativen Unterschicht, die spontan auf die Straße gehen. Eine intellektuelle Elite, die sich an die Spitze setzen würde, gibt es nicht. Kein Wunder, sind doch viele Oppositionelle in den vergangenen Tagen verhaftet worden.

Eskalation nicht aufzuhalten

Wie es in Syrien weitergeht, hängt vor allem von der weiteren Reformbereitschaft des Präsidenten ab, ob er poltische Gefangene freilässt, ein neues Parteiengesetz erlaubt. Vorerst ist nach den Entwicklungen der vergangenen Nacht eher eine weitere Eskalation zu erwarten. Die Schranken der Angst sind in Syrien jedenfalls durchbrochen.