Ein Porträt des reisenden Dichters und Hörspielautors Peter Rosei

Der Vielseitige

Er ist das Gegenteil eines weltabgewandten Dichters. Er weiß, was Staatsanleihen sind und was Währungsreserven, er kann Adam Smith von John Maynard Keynes unterscheiden und er kennt jeden amerikanischen Highway und jeden russischen Zug persönlich. Die Literatur kennt Peter Rosei sowieso.

Peter Rosei zählt, wie etwa auch Peter Handke oder Christoph Ransmayr, zu den großen Reisenden der österreichischen Literatur. Reiseschriftsteller ist er dennoch keiner. "Die Leute", meint er, "sollen ohnehin besser selber reisen anstatt Reisebücher zu lesen." Außerdem könne Reisen "diese schreckliche Österreicherkrankheit" heilen, sich stets für den "Nabel der Welt zu halten." Er selbst, sagt Peter Rosei, reise in erster Linie um sich dem Reisen hinzugeben, um seinen Erlebnisraum zu erweitern und, natürlich, aus Neugier. Man muss sich "der Sache hingeben". Er mache sich daher auch niemals Notizen, das sei ihm "unsympathisch". "Ich sammle nichts, ich lebe...". Viele Reisen, egal ob durch Europa, Asien oder Amerika, fanden daher auch keinerlei literarischen Niederschlag.

Der literarische Output des 1946 in Wien geborenen Juristen und kurzzeitigen Sekretärs des Malers Ernst Fuchs ist - trotz der unbeschrieben gebliebenen Reisen - dennoch mehr als beachtlich. Seit seiner ersten Buchveröffentlichung "Landstriche" im Jahr 1972 sind mittlerweile an die 40 Bücher erschienen. Zuletzt der 2009 bei Residenz erschienene Roman "Das große Töten". Dazu kommen Theaterstücke, Hörspiele, Essays und jede Menge Artikel.

Interdisziplinäres Symposium

Ein anlässlich des bevorstehenden 65. Geburtstages von Peter Rosei in Wien geplantes Symposium zu Ehren des Dichters wird von den Veranstaltern, um die Fülle des Werks zu erfassen, in vier "Abteilungen" gegliedert. In die Abteilung "Geografie und Geschichte", "Philosophie und Theologie", "Hörspiel und Theater" sowie "Literatur und Ökonomie". Denn Peter Rosei, der über ein stupendes politisches und ökonomisches Wissen verfügt, ist, neben seiner eigentlichen dichterischen Tätigkeit, ein ebenso hartnäckiger wie gern gehörter Zwischenrufer. Regelmäßig publiziert er, vor allem in der "Presse" und im "Standard", Artikel und Aufsätze zur wirtschaftlichen und politischen Lage. "Zur Rolle des Intellektuellen", sagt er, "gehört es auch und vor allem, Utopien zu entwickeln". Allerdings müsse man "einfach etwas wissen, um kritisieren zu können".
Er empfiehlt daher, in den Tageszeitungen und Magazinen "immer die Wirtschaftsseiten
zu lesen."

Parallel zum "Interdisziplinären Symposium" im Internationalen Theater Institut der UNESCO am 15. und 16.April gestaltet die Ö1 Hörspielredaktion im April einen dreiteiligen Peter-Rosei-Schwerpunkt. Denn der reisende Dichter hat vor einigen Jahren begonnen, so etwas wie ein eigenes Hörspiel-Genre zu entwickeln. Er hat seine Reiserfahrungen, sein politisch-ökonomisches Wissen und seine literaturhistorischen Kenntnisse zusammengeführt und - innerhalb des Genres Hörspiel - literarische Länderporträts entwickelt. Entstanden sind auf diese Weise literarische Wanderungen durch Amerika, durch Russland, durch Japan und, zuletzt, ein Porträt Europas.

Literarische Landvermessungen

Rosei stellt darin seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen Zitaten berühmter Kollegen entgegen. Er montiert Passagen von Walt Whitman und Jack Kerouac, von Leo Tolstoi und Nikolai Gogol, von Marcel Proust, Karl Marx und Robert Musil zu eigenständigen Erkenntnisinstrumenten und macht damit deutlich, dass die jeweiligen Länder und Kontinente weit mehr und vor allem anders sind, als es die aktuelle politische Berichterstattung suggeriert

Amerika ist weder mit George W. Bush gleichzusetzen noch mit Barack Obama, Russland ist nicht allein das Land des Wladimir Putin, und Europa hat - auch jenseits von Rettungsschirmen, Finanzkrisen und dem Gezeter um die EU-Tradition - Identität und Kontur. In Zusammenarbeit mit der Regisseurin Renate Pittroff hat Peter Rosei eine Form entwickelt, die das Fiktionale nutzt, um das Faktische aufzuwerten. Er benutzt Literatur, um den Blick auf das zu lenken, was tiefer liegt als die zwangsläufig oberflächliche Momentaufnahme. Zugleich haben seine historisch-literarisch-länderkundlichen Porträts auch etwas Beruhigendes. Russland war schon Russland, bevor die Herren Lenin, Stalin, Putin und andere dem Land ihren Stempel aufdrücken wollten, und dem farbenprächtigen Indian Summer im Norden der USA ist es weitgehend egal, wer in Washington das Sagen hat.

"Kunst", sagt Rosei, ist "Wirklichkeitsgewinnung." Sie versucht den Raum, in dem Menschen operieren können, "zu vergrößern". Anspruch auf allgemeine und letztgültige Wahrheiten erhebt der vielseitige Autor dennoch nicht. "Leute", so Rosei, "die wissen was die Wahrheit ist, hab ich noch nie gemocht."

Service

Peter Rosei, "Werksquer - Lesung ausgewählter Texte aus vier Jahrzehnten", Prolog des interdisziplinären Symposiums über Peter Rosei, Donnerstag, 14. April 2011, 19:00 Uhr, Alte Schmiede

Interdisziplinäres Symposium über Peter Rosei, Freitag, 15. April 2011 und Samstag, 16. April 2011, ab 13:30 Uhr, Internationales Theater Institut (iTi) der UNESCO – Centrum Österreich

Alte Schmiede
Internationales Theaterinstitut der UNESCO