Protestaufruf trotz Reformversprechen

Menschenrechtler: "Assad meint es ernst"

Große Spannung herrscht derzeit in Syrien. Um die Ausweitung der Unruhen auf das ganze Land zu stoppen, hat die Regierung von Präsident Bashar al Assad versucht, die Bevölkerung mit Reformen und anderen Versprechen umzustimmen. Ein führender Menschenrechtsaktivist hofft nun auf Beruhigung. Die Opposition hat aber zu neuen Protesten aufgerufen.

"Anders als in Libyen oder Ägypten"

Abdul Karim Rihawi, Chef der Menschenrechtsliga in Damaskus, im Ö1 Mittagsjournal-Interview am 25.3.2011 mit Christian Lininger

"Reformen ernst gemeint"

Ist es in Syrien ein organisierter Widerstand, oder ein Aufstand der unterdrückten Bevölkerung gegen Korruption, Zensur und Arbeitslosigkeit? Einer der führenden syrischen Bürgerrechtsaktivisten ist Abdul Karim Rihawi, Chef der Menschenrechtsliga in Damaskus. Im Telefonat mit dem Ö1 Mittagsjournal ist Rihawi geneigt, den Reformzusagen Assads zu vertrauen. "Ich denke, die Leute glauben, dass es das Regime mit den Reformen ernst meint. Die Lage war extrem gespannt, das Regime hat den richtigen Zeitpunkt gewählt - kurz vor dem Siedepunkt."

"Haben kein Problem mit Assad"

Und auch wenn auch heute wieder Menschen in Syrien protestieren gehen - der Menschenrechtsaktivist Abdul Karim Rihawi glaubt, dass die Ankündigung von Reformen zu einer Beruhigung der Lage führen wird. Denn die Proteste in Syrien seien nicht wirklich mit jenen in Ägypten oder Libyen zu vergleichen: "Die syrische Bevölkerung hat kein großes Problem mit Präsident Bashar al-Assad. Es geht den Menschen um ihre Rechte. Sie wollen wirtschaftliche Rechte, sie wollen die Korruption bekämpfen. Sie sagen nicht 'Weg mit dem Regime', so wie das in Ägypten, in Tunesien oder Libyen der Fall gewesen ist."

Keine neuen Schüsse?

Abdul Karim Rihawi glaubt jedenfalls, dass das Regime nicht ein weiteres Mal auf Demonstranten schießen wird, und ist somit um einiges optimistischer, was die weite Entwicklung der Lage betrifft, als andere Syrier.

Mittagsjournal, 25.03.2011

Aktivisten freigelassen

Denn die syrische Opposition reagierte skeptisch auf die Reformankündigung des Präsidenten und kündigt weitere Proteste unter dem Titel "Tag der Würde" an. Echte Reformen seien nicht zu erwarten, hieß es in den Internet-Foren der Regimegegner. Allerdings bestätigten Menschenrechtler, dass seit Donnerstag tatsächlich, wie angekündigt, mehrere Aktivisten freigelassen wurden, die in den vergangenen Tagen festgenommen worden waren.

Ende des Ausnahmezustands?

Präsident Bashar al-Assad hatte nach einem Bericht der britischen BBC die Freilassung aller während der jüngsten Unruhen festgenommenen Demonstranten angekündigt. Dies sei am Abend im staatlichen Fernsehen verkündet worden. Zuvor hatte die syrische Führung umfassende Reformen ins Aussicht gestellt. So werde geprüft, den seit Jahrzehnten geltenden Ausnahmezustand zu beenden.

Aufruf zu "Tag der Würde"

Am Freitag wurden neue Demonstrationen für Demokratie und Bürgerrechte erwartet. In Deraa (Daraa), dem Schauplatz blutiger Angriffe der syrischen Sicherheitskräfte auf Demonstranten, und in anderen Landesteilen riefen die Prediger in den Moscheen zu einem "Tag der Würde" auf. Auch über die Internet-Plattform Facebook verbreiteten Menschenrechtsaktivisten einen entsprechenden Aufruf. Bei Kundgebungen in Deraa waren zur Wochenmitte Dutzende Menschen getötet worden.