Dokumentation bei Cine Latino

Heimweh nach den Sternen

Im Rahmen von Cine Latino werden zahlreiche international ausgezeichnete Filme gezeigt, darunter auch eine aufsehenerregende Dokumentation, die letztes Jahr den Europäischen Filmpreis gewann: "Heimweh nach den Sternen" versucht eine Aufarbeitung der Gräuel der Pinochet-Diktatur. Gedreht wurde der Film an einem außergewöhnlichen Schauplatz.

Kultur aktuell, 26.03.2011

Die Atacama-Wüste im Norden Chiles gilt als trockenste Region der Erde. Wegen der klaren Luft befinden sich hier zahlreiche Himmelsobservatorien, aus denen Astronomen die Anfänge des Universums erforschen. Doch neben der fernsten ist hier auch die jüngste Vergangenheit präsent.

Keine Aufarbeitung der Gräuel

Nicht weit von hier befinden sich die Ruinen von Chacabuco, dem größten Konzentrationslager der Pinochet-Diktatur, erzählt Regisseur Patricio Guzmán in seinem Film "Heimweh nach den Sternen". Tausende Opfer hat die 17-jährige Gewaltherrschaft Pinochets gefordert, die erst 1990 ein Ende fand.

Eine gründliche Aufarbeitung der Gewalttaten hat bis heute nicht stattgefunden. Im Fernsehen werden keine Dokumentationen über die Diktatur gezeigt, in Schulbüchern kommt sie kaum vor und erst 40 Prozent der damals verübten Verbrechen sind abgeurteilt. Und selbst das geschah nur aufgrund von Privatinitiativen und nicht durch den Einsatz chilenischer Politiker.

Chile-Experte Herbert Berger zu der im Film angesprochenen Problematik: "Der Übergang von der Diktator zur 'Demokratie' 1990 war ein ausgehandelter." Die politischen Parteien hätten einige Teile der Verfassung verändern können, "aber die Substanz der Verfassung von Pinochet ist bis heute erhalten."

"Wir sind die Lepra von Chile."

Weil die Atacama-Wüste so trocken ist, wird hier alles konserviert. Deshalb ist sie eine Fundgrube für Archäologen. Doch dann tauchen im Film Frauen auf, die gebückt und mit Schaufeln in der Hand durch die Wüste streifen. Sie suchen nach den Knochen ihrer in der Militärdiktatur verschwundenen Männer. Wo in weiten Teilen der Bevölkerung Verdrängung vorherrscht, lassen sie nicht locker.

"Wir sind ein Problem", sagt eine dieser Frauen in der Dokumentation, "für die Gesellschaft, für die Justiz, für alle. Wir sind das Letzte vom Letzten. Wir sind die Lepra von Chile." Tatsächlich investiert der Staat wenig in die Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen.

Diese Arbeit wird von Menschenrechtsorganisationen geleistet, sagt Chile-Experte Herbert Berger. Die Menschen müssten von Spendengeldern aus dem Ausland finanziell über Wasser gehalten werden, denn "sie bekommen vom chilenischen Staat kein Geld, weil der chilenische Staat sagt, wir haben unsere eigenen Einrichtungen dafür. Nur: Viele Leute gehen nicht in diese Einrichtungen, weil sie sagen, dort treffe ich vielleicht denselben Arzt, der bei meiner Folterung dabei war."

Suche nach der Vergangenheit

Patricio Guzmán erzählt in seinem wunderbaren Film "Heimweh nach den Sternen" eine Geschichte über die Suche nach der Vergangenheit. Mit überraschenden Querverbindungen, ungeahnter Poesie und einem tragischen Fazit: dass nämlich die Chilenen über die Anfänge des Universums bald mehr wissen werden als über ihre jüngste Geschichte.

Textfassung: Ruth Halle

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"Heimweh nach den Sternen" ist am Sonntag, 27. März 2011, in Das Kino in Salzburg und am Sonntag, den 3. April 2011, im Wiener Filmcasino zu sehen. Ö1 Club-Mitglieder bekommen in beiden Kinos die Tickets zu einem ermäßigten Preis.

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