Ausstellung seiner Sammlungsobjekte
Porträt Werner Nekes
Joseph Beuys filmte er zehn Minuten lang mit dem Gesicht zur Wand, James Joyces literarischen Bewusstseinsstrom versuchte er filmisch einzufangen und dem Kult-Komiker Helge Schneider gab er 1986 die erste Kinorolle. Die Rede ist vom deutschen Filmemacher Werner Nekes, der seit den 1970er Jahren zu den prominentesten Vertretern des deutschen Experimentalfilms zählt.
8. April 2017, 21:58
Doch nicht nur als Filmemacher hat sich Werner Nekes einen Namen gemacht: Nekes ist auch im Besitz einer der europaweit größten Sammlungen zur "Vorgeschichte des Kinos". Von der Camera obscura, über die Laterna magica bis hin zum Kinematographen der Bruder Lumière: Jahrzehntelang hat Nekes optische Apparaturen und Spielzeuge, Kaleidoskope und Panoptiken zusammengetragen. Seit vergangener Woche sind große Teile seiner Sammlung in der Ausstellung "Ich traue meinen Augen nicht" im Karikaturmuseum Krems zu sehen.
Kulturjournal, 29.03.2011
Als Werner Nekes Deutschlands großen Kunstschamanen Joseph Beuys 1981 vor die Linse bat, um ihn minutenlang mit dem Rücken zur Kamera über seinen Kunstbegriff sprechen zu lassen, antwortete das Kinopublikum mit lautstarken Protesten. Wie da einer den Künstler selbst zum Kunstobjekt, oder vielmehr zur sprechenden Skulptur machte, verstörte und begeisterte gleichermaßen.
Das breite Publikum reagierte auf Werner Nekes Filme zwiespältig. Anders die Kritik: 1981 erhielt Nekes für "Beuys" den "Preis der deutschen Filmkritik" in der Kategorie Kurzfilm. Nekes Filme sind das, was manche vielleicht als anstrengend bezeichnet würden. Zeit seines Lebens hat Nekes Filme gedreht, die die Kinoillusion aufbrechen, dem Zuschauer eine Lektion über das Sehen erteilen sollen.
Wie entsteht die filmische Information? Und wie wird sie wahrgenommen? Mit diesen zentralen Fragenstellungen des Experimentalfilms setzt sich Werner Nekes in seinem Oeuvre auseinander. Bis heute. Obwohl es in den letzter Zeit ruhiger um ihn geworden ist. Seit einigen Jahren hat er keinen Film mehr gedreht - zumindest keinen, der im Kino gelaufen ist.
Entdecker von Helge Schneider
In den 1970er und 1980er Jahren erlebte der Experimentalfilm eine Blüte. In diesen Jahren lehrt Werner Nekes auch an deutschen Kunstuniversitäten Film und Filmtheorie, zuerst an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg, später an der Kunsthochschule Offenbach.
1978 kehrt Werner Nekes an den Ort seiner Kindheit, die Stahl-und-Kohle-Stadt Mühlheim an der Ruhr, zurück und richtet sich im Gelände einer aufgelassenen Lederfabrik ein. Dort trifft er auch auf den gebürtigen Mühlheimer Helge Schneider, den er für die Leinwand entdeckt. 1986 dreht er mit Schneider die Schlagerparodie "Johnny Flash".
In "Johnny Flash" mimt Helge Schneider einen arbeitslosen Elektriker, der von einer Karriere als Schlagerstar träumt. Ein Plot, der für die absurd-komischen Auftritte des damals noch völlig unbekannten Helge Schneider wie geschaffen zu sein scheint.
Wenn Avantgarde auf Nonsense trifft, entsteht eine durchaus reizvolle Mischung. Auch wenn Werner Nekes selbst den Film etwas despektierlich als "Klamotte" bezeichnet, ist "Johnny Flash" alleine wegen Helge Schneiders Auftritten Kult.
Mentor für Christoph Schlingensief
In den 1980er Jahren scharte Werner Nekes junge Talente um sich. Er entdeckt nicht nur Helge Schneiders Qualitäten als Komiker, sondern wird auch zum Mentor des jungen Christoph Schlingensief. Bei Werner Nekes lernt Christoph Schlingensief nicht nur das Filmhandwerk, sondern auch Joseph Beuys' erweiterten Kunstbegriff und sein Konzept der sozialen Skulptur kennen.
Auf Beuys wird sich Schlingensief in seinen eigenen Arbeiten immer wieder beziehen. Sei es 1997 bei der berüchtigten Documenta-X-Aktion "Mein Filz, mein Fett, mein Hase", bei der Schlingensief verhaftet wurde, weil er ein Plakat mit der Aufschrift "Tötet Helmut Kohl" hochhielt, sei es mit der Gründung seiner Partei "Chance 2000". Schlingensief, der immer wieder betonte, dass seine künstlerischen Wurzeln im Film liegen, hat oft darauf hingewiesen, wie wichtig seine Zeit als Werner Nekes Assistent für ihn gewesen sein. Fünf Jahre wird er mit Nekes zusammenarbeiten.
Die Geschichte der Bilderzeugung
1993 geht Schlingensief nach Berlin und wird Hausregisseur an Frank Castorfs Volksbühnen. Schlingensief will, dass auch Nekes in Berlin inszeniert. Doch Nekes lehnt ab. Er lehrt in Köln und will sich außerdem in Zukunft verstärkt seiner Sammlertätigkeit widmen. Seit den 1970er Jahren hat Nekes optische Apparaturen und Guckkästen, Kaleidoskope, Vexierbilder und Stroboskopen gesammelt - Objekte, die etwas über die Geschichte der Bilderzeugung erzählen, wie Nekes selbst es ausdrückt.
In der alten Lederfabrik in Mühlheim an der Ruhr, in der er lebt, lagert Werner Nekes medienhistorische Schätze von unfassbarem Wert. Mittlerweile lebt Werner Nekes davon, Ausstellungen zu kuratieren und Exponate aus seiner umfangreichen Privatsammlung an internationale Ausstellungshäuser zu verleihen - so lange, bis für den Experimentalfilm wieder bessere Zeiten anbrechen.
Textfassung: Ruth Halle
Service
Ausstellung "Ich traue meinen Augen nicht. Streifzüge durch 400 Jahre Karikatur und Bildsatire", mit Werken aus der Sammlung Werner Nekes, bis 18. September 2011, Karikaturmuseum Krems,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (20 Prozent).
Karikaturmuseum Krems