Bildungscampus beim Hauptbahnhof

Neue Standards im Schulbau

Im Umkreis des künftigen Wiener Hauptbahnhofs entsteht derzeit ein neues Stadtgebiet. Dort wird 2014 auch ein großer Bildungscampus mit Kindergarten, Volks- und Hauptschule eröffnet. Die besten Beiträge zum Vergabewettbewerb sowie das Siegerprojekt sind im Architekturzentrum Wien zu sehen.

Den Wettbewerb für den Bau des Campus hat das Büro Popelka Poduschka Architekten für sich entschieden - ein Projekt, das nach Meinung von Experten in Sachen Schulbau neue Standards setzt.

Kultur aktuell, 31.03.2011

Raum für Erlebnisse

Schule soll nicht länger ein Aufbewahrungsort für Kinder sein, sondern ein Raum für Erlebnisse und Erfahrungen. Diese Idee liegt dem architektonischen Konzept des Bildungscampus' am Wiener Hauptbahnhof zugrunde. Von der Struktur eines klassischen Schulbaus bleibt in den Plänen des Büros Popelka Poduschka nicht viel über.

Aus Schulgängen, die bisher als reine Verkehrsflächen dienten, werden sogenannte Marktplätze, in denen Kinder zusammenkommen, spielen oder lernen können. "Die Klasse in ihrer herkömmlichen Form wird aufgelöst. Es gibt sowohl in der Klasse als auch im gemeinsamen Bereich Rückzugsmöglichkeiten, Möglichkeiten, etwas separat zu lernen, Möglichkeiten, mit Kindern aus anderen Klassen zusammen zu kommen, zu schauen, was die Nachbarklasse macht", erklärt Architektin Anna Popelka.

Mehr Dorf als Schule

Auf dem Plan ähnelt der Bildungscampus eher einem Dorf als einer Schule. Innen- und Außenbereiche sind ineinander verzahnt; jeder Klassenraum hat einen direkten Zugang nach draußen.

Bildung solle auch im Freien stattfinden können, erklärt Popelka: "Die Außenwand ist die Innenwand vom Freiraum. An der entlang spielt sich ganz viel ab. Es wird draußen auch Tafeln geben und Kästchen, wo die Kinder ihre Sachen fürs Spielen drinnen haben."

Individuelles Lernen

Wie die architektonische Umsetzung zeitgemäßer Pädagogik wirkt das Projekt des Büros Popelka Poduschka. Die Räume sollen individuelles Lernen statt Frontalunterricht ermöglichen. Doch auch in anderer Hinsicht werden mit dem Bildungscampus am Hauptbahnhof neue Wege beschritten. So waren Pädagogen im Vorfeld stark in den Diskussionsprozess eingebunden; ein von ihnen mitgeschriebener Qualitätenkatalog diente als Grundlage für den Wettbewerb.

Die Stadt Wien machte dagegen praktisch keine baulichen Vorgaben - eine kleine Revolution im sonst überreglementierten österreichischen Schulbau. Allerdings hätten die meisten der teilnehmenden Architekturbüros diese neue Freiheit gar nicht genützt, wundert sich Werner Schuster von der Stadtbaudirektion Wien, der das Projekt koordiniert hat.

"Viele haben einfach nicht geglaubt, dass sie das machen dürften, was sie könnten. Von 102 eingereichten Projekten wollten wir zehn in die zweite Stufe bringen, neun sind's dann tatsächlich geworden. Viele waren verhaftet in dem Gedanken, in den veralteten Strukturen zu planen, die wie eigentlich nicht wollten", sagt Schuster.

Zwei Campusgebäude besiedelt

Das Campusmodell ist in Wien nichts Neues: Zwei Campusgebäude - jeweils mit Kindergarten und Volksschule - sind bereits besiedelt; ein drittes wird im Herbst 2012 in Floridsdorf in Betrieb gehen. 2014 soll dann der Bildungscampus beim künftigen Hauptbahnhof eröffnen - es wird der erste Campus sein, der auch eine Hauptschule umfasst und somit zum Lernort für Null- bis 14-Jährige wird.

Das Siegerprojekt des Büros Popelka Poduschka Architekten und jene neun Beiträge, die es in die zweite Stufe des Wettbewerbs geschafft haben, werden nun im Architekturzentrum Wien präsentiert - die Ausstellung läuft bis zum 11. April 2011.

Textfassung: Rainer Elstner

Service

Architekturzentrum Wien
PPAG - Popelka Poduschka Architekten