Stöger: 100 % Kontrolle bei Direktimporten
Strahlengrenze: Alleingang Österreichs?
Die neuen Strahlen-Grenzwerte der EU für Lebensmittelimporte aus Japan sind doppelt so hoch wie die bisher erlaubten Werte. Umweltschützer meinen, dass Österreich diese niedrigeren Werte im Alleingang beibehalten könnte. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) will das zumindest bei den Direktimporten aus Japan tun.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 31.03.2011
Notverordnung für Japan
Die bisherigen Strahlen-Grenzwerte haben sich nicht ausdrücklich auf Japan bezogen, sondern auf andere Drittstaaten - eine Spätfolge der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl. In der entsprechenden EU-Verordnung aus 2008 waren etwa für radioaktives Cäsium 600 Becquerel pro Kilogramm in Lebensmitteln erlaubt. Aber für Japan gab es keine Regelung, daher jetzt die Notverordnung der EU-Kommission - mit viel zu hohen Grenzwerten, wie auch Stöger meint. 1250 Becquerel pro Kilogramm bei Cäsium sind doppelt so viel wie bisher.
Alleingang europarechtlich möglich
Umweltschützer fordern, dass Österreich sich auf den Gesundheitsschutz berufen und die niedrigeren Grenzwerte beibehalten soll. Nach dem EU-Vertrag von Lissabon sei das durchaus möglich, so der Europarecht-Experte Walter Obwexer von der Universität Innsbruck: "Strengere Grenzwerte neu einzuführen, ist fast unmöglich, während die Beibehaltung bereits bestehender, also älterer strengerer Grenzwerte ohne weiteres möglich ist." Österreich müsse der Kommission nur mitteilen, dass es weiterhin die strengeren Grenzwerte anwendet.
Stöger hat Bedenken
Gesundheitsminister Stöger räumt zwar ein, dass es diese Möglichkeit gäbe, aber ein Alleingang mit den bestehenden niedrigeren Grenzwerten - die noch dazu formal nie für Japan gegolten haben - wäre für Österreich schwer zu argumentieren. Alois Stöger: "Auch wenn die Grenzwerte zu hoch sind, sagen die Experten, dass eine Gesundheitsgefährdung ganz klar nicht gegeben ist."
Vor allem Spezialitäten
Außerdem sei der Anteil der Lebensmittel-Importe aus Japan an der Gesamteinfuhr sehr klein. Laut Statistik Austria dominieren unter den aus Japan importierten Nahrungsmitteln Fleisch, Fisch, zubereitetes Gemüse, Tee und Honig. Honig macht mit 100 Tonnen im Jahr interessanterweise den größten Posten aller Lebensmittelimporte aus Japan aus.
Lückenlose Kontrolle
Insgesamt geht es aber eher um Spezialiäten und nicht um große Mengen. Das hat auch den Vorteil, dass an den Grenzstationen auf den Flughäfen Wien-Schwechat und Linz die Direktimporte lückenlos kontrolliert werden können. Und hier kündigt Gesundheitsminister Alois Stöger einen faktischen Alleingang an: "Es werden keine Lebensmittel nach Österreich kommen, die an die Grenze der bestehenden Verordnung gehen... Wir kontrollieren hundert Prozent der Lebensmittel, die direkt nach Österreich kommen. So wenig Strahlung wie möglich ist das klare Ziel."
Sprich: Ein de facto Importverbot für Direktimporte aus Japan, die über den bisher erlaubten Strahlen-Grenzwerten liegen. Ein Alleingang auf österreichisch.
Fakten im Mittagsjournal, 31.03.2011
Grenzwerte sollen Gesundheitsrisiken einschränken und Anhaltspunkte für gerichtliche Entscheidungen bieten.
Keine Unbedenklichkeitsgarantie
Entgegen ihrem Namen bilden Grenzwerte keine scharfe Grenze zwischen gefährlich und ungefährlich. Aber man geht im Allgemeinen davon aus, dass nach menschlichem Ermessen keine Gefahr besteht, wenn die Grenzwerte etwa für Radioaktivität in Lebensmitteln nicht überschritten werden. Wobei gerade für Radioaktivität angenommen wird, dass gesundheitliche Langzeitwirkungen schon mit der ersten und geringsten Dosis einsetzen können. Freilich: Beweis dafür gibt es keinen.
Theoretische Werte
Im Allgemeinen, also sozusagen im Normalbetrieb, gibt es keine Grenzwerte für die Radioaktivität in Lebensmitteln. Schlicht deshalb, weil gesundheitsgefährdende Werte de facto nie erreicht werden. Als gesundheitsgefährdend gilt eine akute Strahlenbelastung von einem Sievert. Rund vier Tausendstel dieser Menge, nämlich 4,3 Millisievert, nimmt jeder Österreicher durchschnittlich pro Jahr aus natürlicher Strahlung oder bei medizinischen Untersuchungen quasi automatisch auf. In manchen Böden werden auch noch immer erhöhte Cäsiumwerte nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl gemessen, dort gibt es dann auch erhöhte Cäsiumbelastung in Pilzen. Da Pilze aber ohnehin nur in geringen Mengen gegessen werden, gilt diese Belastung als vernachlässigbar.
Kein Fisch für Sushi
Mit den jetzt geltenden EU-Grenzwerten würde man mit einem Kilo Nahrung aus Japan übrigens 0,1 Millisievert an Strahlung aufnehmen, etwa ein Dreißigstel der Natürlichen Strahlung. Experten bezweifeln allerdings, dass irgendjemand in Österreich überhaupt jemals ein Kilo Nahrung aus Japan im Jahr isst, denn von dort importiert werden vor allem Würzpasten und Nahrungsergänzungsmittel - Fisch für Sushi aus Japan zu importieren wäre bei weitem zu teuer, heißt es.