Serie "Theater im Abseits"
Das Schuberttheater
Im fünften Teil der Kulturjournal-Serie "Theater im Abseits - Kleinbühnen im Porträt" wird das Schuberttheater in Wien vorgestellt - ein kleines, vor vier Jahren gegründetes Theater im 9. Wiener Bezirk, das seinen Schwerpunkt auf Puppentheater für Erwachsene legt.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 01.04.2011
An der Währinger Straße 46, unweit der Wiener Volksoper und dem WUK, gibt es zwischen dem Café Milano und dem Plattengeschäft Extraplatte eine kleine unscheinbare Hofeinfahrt. Ein weißes Hinweisschild mit einer altertümlich wirkenden blauen Schrift weist auf das Schuberttheater hin, und wer daran vorbeigeht, hat keinen Grund, neugierig stehenzubleiben. Dass sich hier ein junges und höchst ambitioniertes Off-Theater verbirgt, ist kaum zu ahnen.
Der Eingang zum Theater versteckt sich hinten im Hof, in einem Wohnhaus. "Der Eingang war früher, wo jetzt das Café Milano ist. Wo man jetzt reingeht, war früher der Künstlereingang, darum ist das ein bisschen versteckt, aber ich denke, wenn man uns finden möchte, ist es möglich", sagt Simon Meusburger. Er ist 36 Jahre alt und hat das Haus vor vier Jahren übernommen.
"Erstens hab ich mich in den Raum hier verliebt, und zweitens die Möglichkeit, hier frei künstlerisch tätig sein, das hat man sonst nicht, außer man hat ein eigenes Theater." Der Traum vom eigenen Raum. Und sei er auch noch so begrenzt.
Bewegte Geschichte
Eng ist es hier im Foyer, Garderoben und Büroräume gibt es keine, Kostüme und Requisiten werden unter der winzigen Bühne gelagert, die gerade 30 Quadratmeter misst - 780 Quadratmeter hat jene des Burgtheaters, aber das nur zum Vergleich. In den 80 Sitze fassenden Zuschauerraum gelangt man über einen anderen Eingang im Hof.
"Zuerst war es ein ganz normales Kino, da ist Cissy Kraner vor dem Hauptfilm aufgetreten, hat sie mir erzählt" - Nikolaus Habjan, der Ko-Direktor des Hauses, erzählt über die bewegte Geschichte des Hauses: Danach sei es ein Pornokino mit angeschlossener Produktion gewesen, dann kurz Probebühne für das Theater Drachengasse, dann ein Kasperltheater und noch einiges mehr.
Schwerpunkt Puppentheater
"In der zweiten Saison schon ist Nikolaus Habjan als Assistent dazugestoßen", erzählt Meusberger. Auf YouTube habe er zum ersten Mal ein Video von Habjans Klappmaulpuppe gesehen, "eine seiner ersten Puppen. Da bin ich gleich auf ihn zugegangen und habe gesagt: Nikolaus, das will ich für mein Theater haben. Und so ist jetzt seit zirka drei Jahren dieser Schwerpunkt Puppentheater für Erwachsene entstanden, der sehr erfolgreich läuft."
Das Puppentheater ist ein wichtiges Standbein für das Schuberttheater, sagt Simon Meusburger. Die überlebensgroßen Klappmaulpuppen von Nikolaus Habjan hängen, wenn sie nicht gerade spielen, aus Platzmangel im Foyer: "Hermann Diletti ist Eisverkäufer im Ruhestand", erklärt Habjan, "daneben Magister Bärbel Brandner, passionierte und pensionierte AHS-Lehrerin für Geschichte und Biologie, in der Mitte Dr. Jörg Haider."
Die Puppen erinnern an jene von Neville Tranter, der vor einigen Jahren mit dem Stück "Schicklgruber" zu Gast bei den Wiener Festwochen war. Und das ist kein Zufall, denn der australischen Puppenspieler war Nikolaus Habjans Lehrmeister.
Lange Vorlaufzeiten
15- bis 20-mal im Monat geht der Vorhang im Schuberttheater auf. Da gibt es zum Einen klassisches Schauspiel in möglichst kleiner Besetzung - zurzeit etwa Oscar Wildes "Ein idealer Ehemann", Nestroys "Der Zerissene", Jura Soyfers "Broadway Melodie" oder im April Handkes Text "Wunschloses Unglück".
Manchmal spielt man vor vollem Haus, dann wieder vor 20 Menschen. Die Konkurrenz ist wie überall im Off-Theaterbereich groß. Und gerade deshalb ist es für das Schuberttheater so wichtig, etwas ganz Spezielles anzubieten. Also setzt man immer wieder jene aufwändigen Puppentheaterstücke an, die man im Laufe der letzten Jahre erarbeitet hat.
"Man hat eine extrem lange Vorlaufzeit", so Nikolaus Habjan. "Man entwickelt zuerst etwas, dann baut man die Puppen, dann wird das geprobt. Die Zeit, bis man endlich zum Proben anfangen kann, ist schon ziemlich lang. Für das Michael-Jackson-Stück hatten wir über ein Jahr Vorlaufzeit."
Michael Jackson in ein Stück verpackt
"Becoming Peter Pan - an epilogue to Michael Jackson" ist seit Dezember im Programm. "Wir erzählen einen fiktiven Nachruf auf einen Künstler, der mich persönlich sehr interessiert hat", sagt Simon Meusburger, "weil er eine unglaublich dramatische Qualität hat, weil die Fallhöhe von diesem Menschen so groß war."
Michael Jackson hat dem Schuberttheater auch eine Aufmerksamkeit in den Medien beschert, die es normalerweise nicht hat. Denn schon bald nach Probenbeginn gab es wüste Beschimpfungen bis hin zu Morddrohungen von Jackson-Fans. Die Premiere musste mit Polizeischutz abgehalten werden.
"Die 'Kronenzeitung' hat über uns sogar geschrieben: 'Schuberttheater Wien - Puppentheaterstück könnte zum Kriminalfall werden' - was ein bisschen eine traurige Erfahrung für uns war. Simon und ich haben ein recht politisches Stück gemacht - 'Schlag sie tot' ist schon sehr politisch -, auch sozialkritisch. Da fühlt sich kaum jemand auf die Füße getreten."
Seit kurzem ist auch "Der Herr Karl" als Puppentheaterstück zu sehen, das im Vorjahr mit dem Best-Off-Styria-Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Der Monolog von Qualtinger und Merz wird dabei auf drei verschiedene Puppen und Charaktere aufgeteilt.
Mit Herz und Seele dabei
Mit viel Herz verwirklichen Simon Meusburger und Nikolaus Habjan im Schuberttheater ihren Traum. Für einige Stücke erhalten sie Projektförderung von der Stadt Wien, den Rest erwirtschaftet man mit Vermietungen, Eigeneinnahmen und Gastspielen im Ausland, denn gerade die Puppentheaterproduktionen könne man als Gesamtpaket gut verkaufen. In Nürnberg, München oder Zürich ist man schon aufgetreten, eben kam eine Anfrage aus Estland für das Michael-Jackson-Stück.
Die Begeisterung, die Meusburger und Habjan für ihr Theater mitbringen, ist ansteckend - und es macht das kleine versteckte Schuberttheater zu einem weiteren Geheimtipp unter den vielen Kleintheatern in Wien.
Textfassung: Ruth Halle