Schloss Neugebäude in Simmering

Ballhaus, Grotte, Urnenhain

Ein Gebäude, das erstaunliche 180 Meter misst und damit fast auf den Meter genauso lang ist wie Schloss Schönbrunn, sollte eigentlich nicht zu übersehen sein. Aber Schloss Neugebäude in Simmering ist selbst profunden Wien-Kennern bis heute trotzdem weitgehend verborgen geblieben. Und das, obwohl Experten es als Bauwerk von europäischer Bedeutung und als eines der schönsten Schlösser seiner Zeit priesen.

Wie ein düsterer, erratischer Block steht es unweit des Zentralfriedhofs. Das Krematorium und der Urnenhain des Friedhofs wurden ab 1920 genau dort errichtet, wo sich Ende des 16. Jahrhunderts der Baum- und Lustgarten des Renaissanceschlosses erstreckte.

Vergessen, unbekannt, verwahrlost

Mit diesen Worten beginnt eine der vielen Beschreibungen von Schloss Neugebäude im Internet. Dabei hätte das Neugebäude einmal werden sollen, was später Schloss Schönbrunn wurde. Es liegt direkt am Abhang zwischen Simmering und Ebersdorf. Die Kaiserebersdorfer Straße begrenzt es im Norden, im Süden die Simmeringer Hauptstraße. Das Areal ist weit ausgedehnt. Noch ein Stück weiter südlich davon liegt der Zentralfriedhof.

Refugium mit Gärten

Maximilian II. hat Neugebäude errichten lassen. Als Standort hatte man die Auwälder östlich von Wien gewählt. Und weil es dort, in Ebersdorf, bereits ein Schloss gab, ein altes also, wurde das neu zu bauende eben "Neugebäude" genannt.

Der Kaiser wünschte sich ein Refugium außerhalb von Wien, eine repräsentative Anlage, die er von einigen der angesehensten Architekten seiner Zeit planen ließ. Ganz besonders aufwändig wurden die Gartenanlagen gestaltet. 1574 war das große Labyrinth fertig und die vielen Teiche angelegt.

Prachtbau des Manierismus

Aus kunsthistorischer Sicht ist Neugebäude eine Anlage des Manierismus, also der Zeit des Übergangs von der Renaissance zum Barock. Aber nach dem frühen Tod des kunstsinnigen Kaisers im Jahr 1576 war der gigantomanisch geplante Prachtbau nie ganz fertiggestellt worden. Maximilians Nachfolger bevorzugten andere Schlösser. Frühzeitig setzte am Neugebäude der Verfall ein, und bereits im 18. Jahrhundert zur Regierungszeit Maria Theresias beschleunigte er sich dramatisch.

Türkisches Hauptquartier 1529?

Wie imposant die Gebäude und seine ausgedehnten Gartenanlagen gewesen sein müssen, lässt sich bei der Betrachtung alter Ansichten des Neugebäudes erahnen. Unter einem Kupferstich aus dem Jahr 1715 findet sich folgende Beschreibung: "Das Neugebäude, ein kaiserliches Lusthaus, eine halbe Meile von Wien gelegen, welches man dafür hält, dass es an dem Orte des türkischen Hauptquartiers von anno 1529 und nach dessen Beschaffenheit aufgebauet. Heutezutage dienet es zur Bewahrung allerhand ausländischer Tiere."

Erste Menagerie

Die fünf tiefen Becken, in denen Löwen gehalten wurden, waren ursprünglich als "Fischkalter" geplant. Neben den Löwen gab es in der frühen Menagerie weitere exotische Tiere. Ein türkischer Reisender, der Neugebäude 1665 besuchte, berichtete auch staunend von Tigern, Antilopen, Steinböcken und Bären.

Als Maria-Theresia schließlich nicht nur ganze Bauteile nach Schönbrunn verbringen ließ, sondern auch noch die letzten Tiere aus dem Neugebäude in ihre neu geschaffene Menagerie, versetzte das der Anlage endgültig den Todesstoß. Das ehemalige Prachtschloss fiel in einen jahrhundertelangen Dornröschenschlaf, aus dem es bis heute nie mehr ganz aufgeweckt wurde.

Sanierung und Sicherung

Erst im Jahr 2000 beschloss der Wiener Gemeinderat die Gründung des "Vereins zur Erhaltung und Revitalisierung des Schlosses Neugebäude". Bald danach wurden die wichtigsten Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen begonnen. Die waren dringend notwendig, denn über Jahrzehnte waren Regen und Schnee durch das schadhafte Dach ins Innere gedrungen.

Freiluftkino und Events

Heute bröckelt vom riesigen Hauptgebäude bräunlich-grauer Putz. Insgesamt wirkt Neugebäude auf den ersten Blick abweisend. Die langen leeren Gänge und die halligen hohen Gewölbe im Inneren sind fast ein wenig unheimlich. Die erhaltenen Reste von Neugebäude haben etwas Düsteres - daran ändert auch das Freiluftkino nichts, das in den Sommermonaten vor dem Hauptgebäude seine Filme projiziert.

Die leeren Räumlichkeiten im Westsaal und im Ostsaal wurden teilweise instand gesetzt und werden mittlerweile für Veranstaltungen mit besonderem Ambiente vermietet. Wenn dann bei Hochzeiten oder Firmenpräsentationen im Turm und im Mittelrisalit gefeiert wird, ist nicht immer allen Gästen bewusst, wie groß die Vergangenheit der Räume eigentlich ist.

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