Umstrittene Ausstellung in China

Ai Weiwei verhaftet

In Peking wurde eine umstrittene Ausstellung eröffnet: "Die Kunst der Aufklärung". Fast 600 Werke und Objekte aus den staatlichen Sammlungen in Berlin, Dresden und München werden ein Jahr lang im Nationalmuseum in der chinesischen Hauptstadt gezeigt. Indes wurde der Künstler Ai Weiwei verhaftet.

Kulturjournal, 04.04.2011

Dass das autoritäre China ausgerechnet mit einer Schau über die europäische Aufklärung, also eine Epoche der politischen Öffnung, das renovierte Nationalmuseum wiedereröffnet, könnte als Geste der Offenheit interpretiert werden. Könnte, denn Künstler, Journalisten und Dissidenten in China sind zunehmend Repressalien ausgesetzt. Jüngstes Opfer ist der bekannte Konzeptkünstler Ai Weiwei, der verhaftet wurde.

Mittagsjournal, 04.04.2011

Eine ganz normale Ausstellung möchte man meinen. Zugegeben, die bislang umfangreichste deutsche Kunstausstellung im Ausland. Und das gleich noch im größten Museum der Welt. Im umgebauten und jüngst wiedereröffneten Nationalmuseum in Peking. Aber eben sonst nur eine Kunstausstellung. Wäre da nicht das gewählte Thema. Und das lautet "Die Kunst der Aufklärung". Und das just im autoritären China. Direkt am Platz des himmlischen Friedens. Eine Ausstellung, die eine wichtige Epoche europäischer Kunstgeschichte erklären soll. Eine Epoche, die Europa grundlegend verändert hat. Die Freiheit der Rede, bürgerliche Rechte, Kritik an ungerechten Herrschaftsverhältnissen.

Es sind diese Ideen, die damals erstmals öffentlich diskutiert werden. Und die in China auch heute noch nicht diskutiert werden dürfen. Soll die deutsche Schau also das chinesische Publikum aufklären, soll sie freiheitliche Werte vermitteln? Martin Roth, der Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, sprich von den Prinzipien der Aufklärung, die auch heute noch relevant sind. Doch letztlich stünde der künstlerische Aspekt im Vordergrund. Man wolle schließlich keine Propaganda-Ausstellung in Peking inszenieren.

"Nicht immer zum Nachdenken anregen"

Was die chinesische Seite von aufklärerischen Prinzipien hält, von freier Rede und Dialog. Das wird gleich zur Eröffnungspressekonferenz deutlich. Ein Reporter will wissen, wie der Dialog funktionieren soll, wenn Kritiker in China einfach weggesperrt werden. Diese Frage bleibt unbeantwortet. Die Fragestunde wird abgebrochen. Aus Zeitmangel, heißt es offiziell.

Chinas Mächtige scheinen Aufklärung als fernes, fremdes Phänomen zu verstehen. Am besten zu betrachten im Museum. Auf einer Ölleinwand. Der chinesische Kurator Chen Yu erklärt, was die Besucher aus der Ausstellung mitnehmen sollen: "Die Besucher sollen die Kunstwerke in erste Linie genießen und dabei auch ein bisschen über die Kunst der Aufklärung lernen. Eine Ausstellung muss doch nicht immer zum Nachdenken anregen. Der Genuss allein genügt oft auch schon."

Eine Besucherin wird da etwas deutlicher: "Die Veranstaltung wird einen großen Einfluss haben. Denn wenn es um die Freiheit der Kunst geht, dann hat China noch einen gewissen Weg vor sich."

Ai Weiwei festgenommen

Wie man es mit der Freiheit der Intellektuellen, der Künstler so hält, haben die Mächtigen in Peking jüngst wieder unter Beweis gestellt. Mit einer Welle von Repressalien geht die Regierung gegen Andersdenkende vor. Aufgeschreckt durch anonyme Aufrufe zum Protest im Internet und den Revolten im Nahen Osten. Mehr als zwei Dutzend Bürgerrechtler wurden festgenommen, 30 sind verschwunden und mehr als 200 stehen unter Hausarrest, sagen Menschenrechtsorganisationen.

Jüngstes Opfer: Chinas wohl bekanntester Gegenwartskünstler Ai Weiwei, der sich auch politisch engagiert. Er wisse nicht, wie viel er sich noch erlauben könne, hat er dem ORF-Team in Peking jüngst noch erklärt. Am Sonntag, 3. April 2011, wurde Ai Weiwei am Flughafen der Hauptstadt festgenommen, als er ausreisen wollte. Bisher fehlt jeder Kontakt zu ihm.

Service

"Kulturmontag", Montag, 4. April 2011, ORF 2: Bericht von der Eröffnung der Ausstellung. Zu Wort kommen Karren Patterson, Frau des regimekritischen, derzeit inhaftierten Künstlers Wu Yu Ren, sowie sein prominenter Kollege Ai Weiwei.

Chinesisches Nationalmuseum (chinesisch)

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