Chinesischer Künstler darf nicht zu seinem Fest

Hausarrest für Ai Weiwei

In Peking ist am Freitag der bekannte Künstler Ai Weiwei unter Hausarrest gestellt worden. Die Staatssicherheit hat vor seinem Atelier in Peking Position bezogen. Damit soll verhindert werden, dass er nach Shanghai reist, wo er eine große Veranstaltung mit etwa 100 Menschen organisieren wollte.

Mittagsjournal, 5.11.2010

Ein üblicher Verdächtiger

Ai Weiwei ist den chinesischen Behörden schon öfter aufgefallen. Sie wurden auch schon handgreiflich gegen ihn. Den Mund verbieten ließ sich der Konzeptkünstler dadurch aber nie. Ai Weiwei hat erst kürzlich in London ausgestellt und in diesem Jahr einen Felsbrocken aus dem Bebengebiet von Sichuan auf den österreichischen Dachstein gebracht. Ein politisches Kunstwerk zum Gedenken an die tausenden Schulkinder, die beim Beben 2008 in schlecht gebauten Schulen ums Leben gekommen sind.

Keine Party für kritische Künstler

Der Künstler ist ein offener Kritiker Chinas, und in diesen Tagen unter besonderer Beobachtung. Auch Ai Weiwei hat die Charta 08, für die der diesjährige Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo für 11 Jahre ins Gefängnis gekommen ist, mit unterstützt. Warum er heute unter Hausarrest gekommen ist, erzählt er in einem knappen Telefongespräch mit dem ORF so: Da die Behörden sein Studio in Shanghai abreißen wollen, wollte er eine Abschiedsparty organisieren. Geladen hat er dazu etwa 100 Künstler und Kritiker.

Das habe die Stadt Shanghai so kurz nach der EXPO nicht haben wollen und ihm gesagt, er dürfe nicht. Als er beharrt habe, habe man ihm gesagt, er möge den Gästen sagen, er sei unter Hausarrest. Ai Weiwei darauf: Aber das bin ich nicht. Also wurde er heute Mittag wirklich unter Hausarrest genommen. Vorläufig bis zum 7. November Mittags. Überraschen kann ihn das nicht. Vor wenigen Monaten fand er deutliche Worte der Regimekritik: "Es ist in der Natur dieses totalitären Staates zu vertuschen, Information und Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Die Regierung kümmert sich um alles, auch die Wahrheit. Daher weiß man nie, ist es die Wahrheit oder ist es eine Art Fiktion?"

Viele Kritiker unter Beobachtung

Wahrheit ist nun, dass dutzende Regimekritiker, so wie Ai Weiwei, unter Hausarrest oder unter Beobachtung stehen. Ding Zilin, eine der Mütter vom Tiananmen-Platz, ist zum Beispiel telefonisch seit Wochen nicht mehr zu erreichen. Anderen Kritikern werden die Handies abgenommen oder sie können sich nur in Polizeibegleitung bewegen. Bei den ausländischen Vertretungen in Peking zählt man mindestens ein Dutzend schwerer Fälle. Und die ausländischen Botschaften wurden auch angewiesen, mit Dissidenten nicht in Kontakt zu treten, falls sie keine Probleme für die bilateralen Beziehungen wollen.

Frankreich empfängt chinesischen Staatschef

Ebenso deutlich hat das heute der chinesische Staatspräsident Hu bei seinem Besuch in Frankreich gemacht: Er fordert Europa dazu auf, zur der Vergabe des Nobelpreises am 10. Dezember niemanden zu entsenden. Sein französischer Amtskollege Sarkozy dürfte es vorziehen, zu Menschenrechten in China zu schweigen. Zwei Jahre nachdem der Empfang des Dalai Lama die Beziehungen empfindlich gestört hat, feiert China Frankreich jetzt als neuen Freund. Und Frankreich hofft auf das Riesengeschäft in China: in der Kernenergie und mit Flugzeugen.

Cornelia Vospernik bei Ai Weiwei

Vor dem wuchtigen Tor seines Ateliers in Peking parkt ein unscheinbarer Kastenwagen ohne Kennzeichen. In ihm sitzen 3 Männer, die verhindern sollen, dass Ai Weiwei das Haus verlässt. Tut er das, droht ihm Haft. Ai Weiwei fällt immer wieder mit China-Kritik auf. In diesem Jahr hat er zum Beispiel einen Felsbrocken aus Sichuan, mit dem er die Bebenopfer von 2008 anprangert, auf den Dachstein gebracht. Immer wieder äußert er sich gegenüber westlichen Medien. Jetzt ist er unter Hausarrest, weil er am Wochenende mit Sympathisanten gegen den Abriss seines Shanghai-Ateliers an-feiern wollte:
"Der Grund, den sie mir genannt haben, war die Party in Shanghai zu verhindern. Tausende Gäste haben sich angekündigt. Und die Polizei glaubt, das könnte ihrer Kontrolle entgleiten, deshalb ist die Party nicht möglich."

Angst vor Nobelpreisverleihung

Große Zusammenkünfte von kritischen Geistern sind derzeit undenkbar in China. Seit bekannt geworden ist, dass Liu Xiaobo den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält, werden Sympathisanten seines Demokratiemanifests Charta 08 beschattet, bedroht, sind unerreichbar oder sogar unauffindbar. Die Botschaften zählen mindestens ein Dutzend prominenter Fälle und berichten, dass ihnen nahegelegt wurde, Dissidenten nicht zu besuchen so man die Beziehungen nicht gefährden wolle. Weniger diplomatisch ist Vizeaußenminister Cui, der Staaten, die an der Preisverleihung im Dezember teilnehmen wollen, Konsequenzen androht. Deutschland erwägt das. Frankreich hingegen scheint derzeit auf Kuschelkurs. Während des Staatsbesuchs von Chinas Präsident Hu Jintao in Frankreich sind die Menschenrechte kein Thema. Immerhin geht es um Großinvestitionen Chinas in Technologie aus Frankreich.

Abendjournal, 05.11.2010

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