Generationenwechsel in der FDP
Wer folgt auf Westerwelle?
In der Ahnengalerie der Freien Demokraten in Deutschland wird neben dem Bild von Obmann Guido Westerwelle schon der nächste Rahmen aufgehängt. Denn Westerwelle hat sich ein politisches Ablaufdatum an der Parteispitze verpasst. Er bewirbt sich beim nächsten Parteitag im Mai nicht mehr um die Wiederwahl. Doch wer folgt ihm nach?
8. April 2017, 21:58
"Er wurde immer verbissener."
ORF-Deutschland-Korrespondent Johannes Marlovits im Gespräch mit Wolfgang Wittmann.
Vom Gesundheitsminister zum Parteichef?
Schmerzlich waren die jüngsten Wahlniederlagen der FDP, zu schmerzlich ist der aktuelle Stand der Sonntagsfrage im Bund - die Liberalen kratzen nach einem kurzen 15 Prozent-Hoch wieder an der puren Existenzhürde. Lange hat sich Westerwelle gegen den Abgang gewehrt, denn nach zehn Jahren geht man nicht so leicht.
Nun geht es offensichtlich aber Schlag auf Schlag, oder Tiefschlag auf Tiefschlag - aus Sicht von Westerwelle. Jetzt wollen die Jungen in der FDP ans Ruder.
Offiziell ist die Entscheidung, wer neuer Parteichef der FDP werden soll, auf Dienstag vertagt worden. Aber als wahrscheinlichste Variante gilt Philipp Rösler, Mediziner und derzeit Gesundheitsminister. Aufgefallen ist er unter anderem mit Maßnahmen gegen Kartelle in der Pharmabranche.
Machtkampf ums Wirtschafsressort
Es zeichnet sich auch ab, dass Rösler in diesem Fall das Ressort wechseln könnte, sagt ORF-Korrespondet Johannes Marlovits: Von der Gesundheit zur Wirtschaft. Doch hier könnte es zu einem Machtkampf zwischen Rösler und dem derzeitigen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle kommen. Denn dieser werde sein Amt nicht einfach so abgeben.
Rösler gilt für viele als der beste Kompromiss für einen Generationswechsel in der Partei: "Er ist jung, aber nicht ganz unerfahren, er ist meist freundlich, fröhlich und auch schlagfertig", sagt Marlovits. In der Bevölkerung kommt Rösler aber nicht besonders gut an, erklärt Marlovits. Denn das Amt des Gesundheitsministers sei bei den Deutschen nicht gerade populär. Vor allem, wenn man - wie Rösler - schmerzhaft Reformen vornehmen muss.
Ein Naturtalent verheizen?
Auch ein anderer Dreißiger wird als möglicher FDP-Obmann gehandelt: Generalsekretär Christian Lindner. Er sei mit seinen 32 Jahren fast zu jung für den Job, sagen manche. Doch er gilt als politisches Naturtalent. Kaum einer bekommt so oft den Zusatz "Hoffnungsträger", erzählt Johannes Marlovits: "Doch mein Eindruck ist, er will sich noch nicht verheizen lassen. Die FDP befindet sich in einem Umfragetief und muss neu aufgestellt werden. In einer solchen Situation könnte man als junger Parteichef rasch untergehen."
Die FDP-Krise samt Neubeginn fällt mit einer Krise der Unionsparteien zusammen. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt zunächst einmal auf Durchhalten und Hoffen. Die nächsten Wahlen sind erst 2013. Angela Merkel will an der Zusammenarbeit mit der FDP festhalten. Fraglich ist nur, inwiefern sie die bevorstehende Kabinettsumbildung akzeptieren wird.
Guido im freien Fall
Wie es aussieht, wird Guido Westerwelle sein Amt als Vizekanzler nicht behalten. Er selbst sprach am Sonntag nur davon, Außenminister bleiben zu wollen. Guido Westerwelle also fast schon im freien Fall, was hat er denn eigentlich so falsch gemacht, dass er seine Partei von 15 Prozent auf drei oder vier Prozent versenkt hat?
Anfangs nicht viel, sagt ORF-Korrespondent Marlovits. Doch er konnte seinen Polster nicht halten. Für heftige Diskussionen sorgten Aussagen zu Hartz IV und "römischer Dekadenz" und er sei im Laufe der Jahre immer verbissener geworden: "Er hat kaum noch freundliche Emotionen gezeigt, sondern meist ein verkrampft kämpferisches, manchmal auch beleidigtes Verhalten an den Tag gelegt. Im Übrigen auch am Sonntag bei seiner Erklärung."