Preisgekröntes Stück in der Josefstadt

Missbrauchs-Drama "Blackbird"

"Blackbird" heißt jenes preisgekrönte Stück des schottischen Theaterautors David Harrower, das am Donnerstag, 7. April 2011 im Theater in der Josefstadt Premiere hat. In dem Zweipersonenstück wird die Affäre eines erwachsenen Mannes mit einem 12-jährigen Mädchen verhandelt.

Mittagsjournal, 06.04.2011

Erwin Steinhauer und Maria Köstlinger spielen das Paar in der Inszenierung der jungen Regisseurin Alexandra Liedtke (übrigens die Frau von Burg-Chef Mathias Hartmann), die erst unlängst in Wien und in Salzburg mit zwei Stücken von Neil LaBute höchst erfolgreich war.

Liebesbeziehung zu 12-Jähriger

Ray und Una hatten vor vielen Jahren eine kurze, aber heftige Liebesbeziehung - wenn man es denn so nennen will. Denn Ray war erwachsen und Una ein 12-jähriges Kind. Jetzt sind 19 Jahre vergangen, Ray hat eine Haftstrafe verbüßt und unter neuem Namen ein neues Leben begonnen - doch dann taucht Una wieder auf.

Aus dem schwärmerischen Mädchen von einst ist eine erwachsene Frau geworden, die ihn an seinem Arbeitsplatz zur Rede stellt - - irgendwo im schmutzigen Abstellraum seiner Firma möchte sie Antwort haben auf das, was damals passiert ist.

Treffen nach 20 Jahren

"Bei den ersten Leseproben hat sich sehr schnell herausgestellt, dass sie eigentlich sofort wieder eine Vertrautheit entwickelt haben. Es gab sofort wieder Ermahnungen, Zuwendungen der Frau an ihn, wo man denkt: Warum ist nach 20 Jahren diese Nähe wieder da?", so Regisseurin Alexandra Liedtke.

"Ich weiß nichts über dich, ich weiß nichts von dir - außer, dass du mich missbraucht hast. Stimmt doch!", schreit Una im Stück. Stimmt - und trotzdem ist es nicht so ganz eindeutig. "Es wäre ja ganz langweilig, einen moralischen Standpunkt zu beziehen. Dass er gefehlt hat, dass sexuelle Handlungen mit Minderjährigen strafbar, schädlich, ein Verbrechen und daher zu bestrafen sind, ist ganz klar. Es wäre vollkommen langweilig, jetzt auf Opfer und Täter zu fokussieren. Wichtig sind ihm die Grauzonen menschlicher Beziehungen", sagt Erwin Steinhauer, der neben Maria Köstlinger (Una) den Ray spielt.

Kein Schwarz-weiß-Malen

In Thomas Vinterbergs "Fest" hat Steinhauer an der Josefstadt eine ähnliche Rolle gespielt - den Familienvater Helge, der sich einst an seinen Kindern vergangen hat: "Ich glaube, dass es sehr viele Fragen aufwirft - auch welche Seite das Publikum einnimmt", meint Steinhauer über das aktuelle Stück. "Die Figur ist ihm ja auch, wie er schreibt, ein bisschen zu sympathisch geraten. Aber er wollte eben nicht schwarz-weiß-malen."

Über die aktuellen Debatten, die derzeit zum Thema Kindesmissbrauch geführt werden, geht das facettenreiche Stück weit hinaus: "Hauptsächlich geht es für mich ums Verlassen-Sein und Einsam-Sein, die Liebe, die sicherlich von beiden da ist, je nachdem, wie man sie wertet oder beschreibt", erklärt Liedtke.

Erfolgsdramatiker David Harrower

Der 45-jährige Autor David Harrower gehört seit seinem preisgekrönten Stück "Messer in Hennen" zu den erfolgreichsten jungen Dramatikern Europas. Sein zehn Jahre später geschriebenes Stück "Blackbird" trat nach seiner Uraufführung durch Peter Stein in Edinburgh einen wahren Siegeszug an und findet sich immer wieder auf den internationalen Spielplänen.

Hollywoodstar Cate Blanchett hat "Blackbird" etwa in Sydney inszeniert und bei einem Gastspiel in Recklinghausen gezeigt, im Wiener Vestibül war es erst vor fünf Jahren zu sehen, und auch Alexandra Liedtkes Ehemann Matthias Hartmann hat das Stück schon in Zürich inszeniert. Dass sie allerdings einen ganz eigenen Zugang zu dem Stück gefunden hat und das Thema mit großem Feingefühl umzusetzen versteht, das lassen bereits die Proben erahnen.

Service

David Harrower, "Blackbird", mit Erwin Steinhauer und Maria Köstlinger, Premiere: Donnerstag, 7. April 2011, Theater in der Josefstadt,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (Vorverkaufspreis an der Abendkasse).

Theater in der Josefstadt