Retrospektive im Filmmuseum
Porträt Dusan Makavejev
Das österreichische Filmmuseum zeigt ab 8. April 2011 erstmals hierzulande eine komplette Retrospektive der Werke von Dusan Makavejev. Der 1932 in Belgrad geborene Regisseur hat eine eigene Filmsprache entwickelt mit viel anarchischem Humor, der ihm Probleme mit der damaligen kommunistischen Führung Jugoslawiens eingebracht hat.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 08.04.2011
Humor ist die beste Waffe
Unbestritten kann man das Wilhelm-Reich-Epos "W. R. Die Mysterien des Organismus" aus dem Jahr 1971 als das Hauptwerk Dusan Makavejevs bezeichnen. Dort hat er seine Mischung aus Dokumentarfilm- und Fiktionselementen, die er collagenhaft zusammensetzt, gepaart mit einem Spiel zwischen Bild und Ton wohl am eindrucksvollsten realisiert.
Dazu kommen tabufreie Darstellungen von Sex - eine explosive Mischung, die dem Tito-Regime ein Dorn im Auge sein musste und Makavejev schließlich ins Exil zwang. Sein Film war lange Zeit in Jugoslawien verboten - auch eine Art paradoxer Beweis für seine Theorie, dass politische Befreiung Hand in Hand mit sexueller Befreiung gehen müsse.
Humor ist ja bekanntlich die Waffe der Machtlosen, und Makavejev und seine Freunde in den Belgrader Filmclubs waren sich dessen schon sehr früh, nämlich in den Nachkriegsjahren, bewusst. Es gab da viele unangenehme Dinge, sagt Makavejev, aber sie hätten versucht, sie unterhaltsam zu zeigen, und das gefiel den Menschen. Außerdem sei Humor ein effizientes Mittel in autoritären Regimen, denn die Bürokraten wissen dann oft nicht, was man sagen will, wenn man mit den Worten und Bildern spielt.
Gute Schulung durch Nachkriegszeit
Was nun seinen collagenhaften Stil betrifft - die Geschichten mit den unterschiedlichen Erzählsträngen werden immer wieder unterbrochen, um dann unerwartet wieder fortgesetzt zu werden -, das komme, erzählt Makavejev, aus der Schule der Nachkriegszeit. Die Menschen waren arm, sie hatten Hunger, wurden von einem UNO-Programm versorgt, trugen alte Uniformen und zerschlissene Schuhe. In den Filmclubs kratzten sie das dürftige Material zusammen, um Kurzfilme zu drehen.
"Als ich dann längere, abendfüllende Filme drehen wollte, dachte ich mir, ich könnte Elemente aus diesen subversiven, surrealistischen Kurzfilme verwenden und mischen, und das funktionierte", sagt Makavejev. Das heißt, sie haben gelernt, kleine Dinge zu drehen, und als es dann die Möglichkeit gab, längere Filme zu machen, haben sie gesehen, dass, wenn man die Story hat, man so eine kleine überraschende Wende hineinsetzen kann.
Freund Zufall
Auch der Zufall durfte eine Rolle spielen. In seinem zweiten Film "Ein Liebesfall" sollte ein Rattenfänger eine wichtige Rolle spielen. Die Crew recherchierte bei den Belgrader Rattenfängern. Diese setzten etwa am Freitag Köder aus, und sammelten dann am Samstag die toten Ratten ein, die dann verbrannt wurden.
Als man sich dann am vereinbarten Drehort einfand, hatten die Rattenfänger angesichts der Tatsache, dass sie einen Filmauftritt hatten, ihre graue Arbeitskleidung mit weißen Hemden und Krawatten getauscht. Makavejev ließ sie dann in dieser Montur die toten Ratten einsammeln, was ein unerwartetes komisches Element brachte.
Und auch wenn etwas am Set fehlt, war die arme Nachkriegszeit eine gute Schule, so Makavejev: "In einer klassischen Filmproduktion ist es so, dass wenn etwas nicht gut vorbereitet ist, der Regisseur sich wütend in sein Hotel zurückzieht bis alles OK ist. Das ergibt tolle Filme, wie in Hollywood. Aber da wir sehr arm begonnen haben, und immer etwas am Set gefehlt hat, hatten wir Spaß daran, Dinge zu ersetzen!" Zusatz: Kleine Unfälle zerstören uns nicht!
Faible für Luis Bunuel
Makavejev begann etwa zu gleicher Zeit erfolgreich zu sein, wie die Nouvelle Vague - damals war neben Frankreich Italien für Experimentalfilme besonders wichtig, etwa mit dem Festival in Pesaro oder Spezialvorstellungen, oft zu später Stunde. So hatte er auch mit Jean-Luc Godard Kontakt, aber der war ihm zu serös, oder zumindest tat er so, als ob er mit sehr ernsten Dingen zu tun hätte. Er fühlte sich eher zu Bunuel hingezogen und dessen surrealistisch-dadaistischem Humor. Der habe diese wilde, grausame spanische Fantasie mit wunderschönen Landschaften verbunden, ein Kontrast, der ihm sehr gefalle, sagt Makavejev.
Und dann kamen noch die tschechischen Filme eines Milos Forman, sehr lustige Filme, wie Makavejev meint, und es gäbe eine starke Mitteleuropa-Schiene-mit Österreich, Ex-Jugoslawien oder Ungarn. Nachdem er lange im Ausland gelebt hat - er lehrte unter anderem in Harvard und lebte auch viele Jahre in Paris -, wohnt Dusan Makavejev übrigens heute wieder in Belgrad.
Textfassung: Ruth Halle