Türkisch-europäische Politikerinnen
Sorge um Verhältnis zur EU
Viele Beobachter sehen die Bemühungen um einen türkischen EU-Beitritt auf längere Zeit als blockiert an. Vor diesem Hintergrund sind 12 Abgeordnete aus mehreren europäischen Ländern nach Istanbul gereist. Was sie verbindet: Sie alle haben türkische Wurzeln, und sie fürchten, dass EU und Türkei weiter auseinanderrücken könnten.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 15.04.2011
Christian Schüller
Gemeinsame Sorge
Es kommt nicht so oft vor, dass Politiker aus ganz Europa in Istanbul an einem Tisch sitzen und miteinander türkisch reden. Aber so wie in Österreich und Deutschland gibt es auch in Norwegen, Dänemark, Belgien und Großbritannien Abgeordnete mit türkischen Wurzeln. Was sie hier zusammenführt, ist die gemeinsame Sorge, dass Türkei und EU immer mehr auseinander rücken könnten.
"In Europa stellen sich jetzt viele die Frage, ob es überhaupt eine Bereicherung wäre, ein Land wie die Türkei dabei zu haben, oder ob man es als Belastung sieht," sagt Ayfer Orhan von der britischen Labour Party. Aus ihrer Sicht hat sich nicht die Türkei zum Negativen verändert, sondern die Welt sei insgesamt ängstlicher geworden.
Keine Kursänderung der Türkei?
Doch auch der deutlich rauer gewordene Ton des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan Richtung Europa beschäftigt die europäischen Politikerinnen. Dass Erdogan in eine französische Abgeordnete in Strassburg öffentlich abgekanzelt hat, weil sie ihm kritische Fragen über religiöse Minderheiten gestellt hat, wird auch von türkischen Medien als Entgleisung angesehen. Wendet sich der starke Mann der Türkei, der demnächst mit großer Mehrheit wieder gewählt werden dürfte, von Europa ab? Nein, glaubt Alev Korun, Nationalratsabgeordnete der Österreichischen Grünen. Sie vermutet einerseits eher eine Trotzreaktion, andererseits eine Strategie um der EU zu zeigen, dass sie die Türkei braucht.
Stimmung nicht genützt
Doch auch deutliche Selbstkritik ist herauszuhören. Die positive Stimmung zu Beginn der Beitrittsverhandlungen hätte besser genützt werden können, ist die Labour-Politikerin Ayfer Orhan überzeugt - wenn die Befürchtungen der eigenen Bevölkerung ernster genommen worden wären: "Wir sollten mit uns selber ehrlich sein – und leider sind wir Politiker das nicht immer. Und wir hören nicht wirklich zu, was die Leute so sagen. Aber es gibt nun einmal Ängste, dass Jobs verloren gehen oder dass der Türkei-Beitritt uns im sozialen Bereich belasten wird. Da wäre es unsere Aufgabe, die Leute wirklich davon zu überzeugen, dass das nicht stimmt, sondern dass wir längerfristig alle profitieren werden." Und doch sind die Politikerinnen aus Europa überzeugt davon, dass weder die Türkei noch die EU die Tür ganz zuschlagen werden.