EU muss Finanzmärkte beruhigen
Besorgnis über "Wahre Finnen"
Das starke Abschneiden der rechtspopulistischen "Wahren Finnen" bei der Parlamentswahl in Finnland beschäftigt auch die EU und die Finanzmärkte. Wegen der Absage der "Wahren Finnen" an Euro-Rettungsschirm und Notkredite ist nun auch die EU-Kommission alarmiert.
8. April 2017, 21:58
Analyse von Barbara Herbst
Mittagsjournalgespräch am 18.04.2011 mit Wolfgang Wittmann
Rehn in Helsinki
Brüssel ist schon im Osterurlaub. Das macht in dem Fall aber nicht so viel. Denn der zuständige Währungskommissar Olli Rehn verbringt Ostern zu Hause, in Helsinki. Rehn ist direkt von der Frühjahrstagung der Weltbank und des Währungsfonds Montagfrüh in Helsinki gelandet. Und wird die ganze Woche über in Finnland bleiben. Es ist zu erwarten, dass er sich in die Koalitionsgespräche mit den "Wahren Finnen" einmischt. Die Gespräche über Finnland wurden schon in Washington am Rande der Frühjahrstagung begonnen. Man sei „sehr besorgt" gewesen, teilte ein Teilnehmer dem ORF mit. Nicht ohne Grund, denn die Märkte riechen den Braten schon und verkaufen den Euro. Unsicherheit in einem Euroland ist gleichzusetzen mit Gewinnchancen. Und jetzt wird eben getestet, ob Finnland die Portugalhilfe blockieren könnte.
Unverhandelbare Koalitionsbedingungen
Die "Wahren Finnen" konnten mit scharfer Kritik an den EU-Finanzhilfen für Portugal punkten. "Wo die EU ist, ist das Problem", "Es ist empörend, dass wir deren Schulden zahlen" - um nur zwei Sätze von Parteichef Timo Soini zu zitieren. Jetzt kommt es darauf an, wie die Koalitionsverhandlungen in Finnland laufen. Im Prinzip sind alle Parteien mit Ausnahme der Grünen bereit, eine Koalition mit den "Wahren Finnen" einzugehen - freilich nicht bedingungslos. Zwei Koalitionspartner - die agrarisch-liberale Zentrumspartei von Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi und die konservative Sammlungspartei von Finanzminister Jyrki Katainen - haben viel zu verlieren, wenn sie nachgeben. Beide haben in Brüssel den Finanzhilfen schon zugestimmt. Die Zustimmung zum Euroschutzschirm und die Zustimmung zur Portugalhilfe müssten also unverhandelbare Koalitionsbedingungen sein.
Regierungs- gegen Finanzpoker
Man darf aber bei aller Sorge um den Euro nicht vergessen, dass Finnland selbst vor großen Herausforderungen steht. Die neue Regierung steht ebenfalls vor Steuerhöhungen und Einsparungen. Schon in dieser Woche wird das Flaggschiff des finnischen Wirtschaftswunders, der Nokia-Konzern, voraussichtlich tausende Kündigungen aussprechen. Es gibt also genügend Hausaufgaben, um die sich die neue Regierung kümmern muss.
Zum Faustpfand würde sich auch die Biografie Soinis eignen. Der 48-jährige ist seit 32 Jahren politisch aktiv, aber noch nie in der Regierung. Das soll sein Herzenswunsch sein. Ist dieser Wunsch stärker als alles andere? Und wie schwierig wird es im umgekehrten Fall für eine Regierung, wenn die "Wahren Finnen" stärkste Oppositionspartei bleiben? Das gilt es abzuwägen. Viel Zeit dürfte aber nicht bleiben, denn wie gesagt, die Finanzmärkte neigen dazu, in der Karwoche noch Geld verdienen zu wollen.
Europäische Unterstützung
Bis jetzt gibt es noch keine öffentliche Reaktion auf das Erstarken der Rechtspopulisten in Finnland, etwa von Kommissionspräsident Barroso oder Ratspräsident Van Rompuy. Am Wochenende machte ein Mail die Runde in der Kommission, wonach das Ergebnis der Finnland-Wahl nicht kommentiert werde. Es ist aber davon auszugehen, dass Telefonate schon stattgefunden haben. Der finnische Finanzminister und wohl künftige Regierungschef Katainen gehört der Europäischen Volkspartei an. Zur Unterstützung wurde sogar das Parteientreffen vor dem Gipfel in Helsinki abgehalten.
Einigung wird schwieriger
27 EU-Staaten unter einen Hut zu bringen, das wird zusehends schwieriger. Das hat man am Beispiel der Euro-Rettung gesehen. Man wird es jetzt am Beispiel der Zuwanderungspolitik - Stichwort Libyen, Tunesien - noch stärker sehen. Die europäische Integration ist auf der anderen Seite schon sehr weit fortgeschritten. Zu weit, als dass ein Zurück zu einzelstaatlichen Lösungen möglich wäre. Aber es wird eine Kraftanstrengung bleiben. Jeder nationale Politiker muss europäische Politik seinen Wählerinnen und Wählern erklären. Auch wenn die einfachen Antworten von Populisten gefälliger sind und wenn man, siehe Finnland, einen vorübergehenden Punktesieg einfangen kann.