Autor Elias Khoury im Gespräch

Die Lage in der arabischen Welt

Der Autor und Soziologe Elias Khoury, 1948 in Beirut im Libanon geboren gehört zu den bekanntesten Intellektuellen der arabischen Welt. Er ist Herausgeber der Kulturbeilage einer libanesischen Zeitung und war als Fatah-Kämpfer bis 1976 selbst in die Kämpfe des Israel-Palästina-Konfliktes verwickelt.

Im deutschen Sprachraum wurde Khoury durch seinen Roman "Das Tor zur Sonne bekannt", in dem er die Geschichte der Vertreibung der Palästinenser beschreibt. Dieser Roman wurde auch verfilmt und gehört zu den wichtigsten kulturellen Dokumenten des palästinensischen Kampfes. Elias Khoury befindet sich derzeit in Berlin, wo bei Suhrkamp die Übersetzung seines Romans "Yalo" vorgestellt wurde. Im Zuge der Buchpräsentation äußerte sich Khoury auch zur aktuellen Lage in der arabischen Welt.

Kultur aktuell, 21.04.2011

Martin Zähringer

"Zunächst einmal: Die Revolution in der arabischen Welt ist das Beste, was wir in den letzten 50 Jahren erlebt haben", meint Khoury. "Sicherlich, es geht manchmal blutig zu wie in Libyen oder wie jetzt in Syrien. Aber ich denke, das ist der entscheidende Wandel, es ist das Zeichen, dass die arabische Welt im 21. Jahrhundert angekommen ist."

Bei aller Freude über diese epochale Bewegung, für Elias Khoury ist es dennoch ein Ankommen in schwieriger Zeit. Khoury ist ein bestens informierter Chronist der neueren arabischen Geschichte. Er wünscht nichts mehr als die Stärkung der Zivilgesellschaft, weiß aber umso besser um die schmerzliche gesellschaftliche Zerrüttung in den arabischen Ländern.

In seiner Heimat Libanon blockiert eine konfessionelle Verfassung die demokratische Entwicklung. Wenn die vier wichtigsten Ämter des Landes jeweils an einen Maroniten, einen Schiiten, einen Sunniten und einen orthodoxen Christen vergeben werden müssen, ist es nicht weit her mit der Demokratie. Entsprechend sei auch in Libanon die Stimmung gespannt:

"Um in Ägypten den Wandel herbeizuführen, muss man nur einen Diktator stürzen, man muss Husni Mubarak zu Fall bringen. Um in Libanon einen Wandel herbeizuführen, muss man mindestens vier Diktatoren stürzen, denn jede Konfession hat ihren eigenen Diktator. Das ist also wesentlich komplizierter."

Fragiles Machtgleichgewicht in Ägypten

Kompliziert sieht Khoury auch die Lage in Ägypten. Zwar herrsche nach dem Sturz Mubaraks derzeit ein funktionierendes Gleichgewicht zwischen Volk und Militär, aber dieses Machtgleichgewicht sei eine fragile Angelegenheit. Khoury setzt auf die politische Bewegung vom Tahrir-Platz, warnt aber vor politischem Leichtsinn:

"Wenn man jetzt denkt, die Revolution ist vorbei und Hallo, jetzt ist Demokratie!, dann ist das eine politische Dummheit. Demokratie ist eine Praxis, ein historischer Prozess, der lange dauert. Aber das Wichtigste ist, dass er begonnen hat."

Es könnte sein, dass der Prozess nicht weit kommt. Diesen Eindruck vermittelt Elias Khoury, wenn es um das zentrale Problem des Nahen Ostens geht, um den Israel-Palästina-Konflikt.

Schwieriges Erbe Nahost-Konflikt

Der Frieden des Diktators Mubarak mit Israel sei lediglich eine wechselseitige Stützung illegitimer Macht gewesen. Diese Art von Frieden, so ist sich Khoury sicher, wird einer demokratisch gewählten Regierung in Ägypten nicht mehr möglich sein. Eine solche demokratische Regierung könne das Verhalten der Israelis in der Westbank und im Gazastreifen niemals hinnehmen.

"Niemand in der Welt kann das weiter hinnehmen", so Khoury. "Die Gründung von Siedlungen, Annexionen, was soll das? Ich denke, wenn die Isareli intelligent handeln, was ich leider nicht erwarte, werden sie diese Lektion sehr früh begreifen und sich aus den annektierten Gebieten zurückzuziehen. Ansonsten werden sie die ganze Region in eine Katastrophe stürzen."

Ob Elias Khoury Recht hat oder nicht, die Demokratiebewegung in der arabischen Welt tritt ein schwieriges Erbe an.

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marabout - Elias Khoury